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Mein mutiges Herz

Mein mutiges Herz

Titel: Mein mutiges Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: KAT MARTIN
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keine Kinderfrau mehr brauchte.“
    „Hat er Ihnen gekündigt?“
    „Er hat mich in den Ruhestand geschickt mit einer Abfindung und einer Extra-Entlohnung für meine gute Arbeit. Das hat er gesagt … ‚Sie haben gute Arbeit geleistet in der Erziehung meines Sohnes, Miss Coote.‘ Er sagte, ich habe es ganz richtig gemacht, dem kleinen Stevie gute Manieren beizubringen.“
    „War Stephen denn ein schwieriges Kind?“, fragte Lindsey.
    „Nein, eigentlich nicht, sobald wir uns einig geworden waren.“ Sie schüttelte sinnend den Kopf. „Nur anfangs war er fürchterlich aufsässig, nicht auszuhalten. Er gehorchte nie, rannte ständig weg zum Spielen, statt Schulaufgaben zu machen.“
    „Und was haben Sie dagegen unternommen?“
    Sie lachte in sich hinein. „Ich habe dem kleinen Teufel Zucht und Ordnung beigebracht. Manchmal musste ich ihn sogar festbinden. Dafür benutzte ich die hübschen Seidentücher seiner Mutter, um ihm nicht wehzutun. Wenn er unfolgsam war, habe ich ihn am Bett festgebunden.“
    „Sie haben ihn ans Bett gefesselt?“, fragte Lindsey erschrocken.
    Tilly lächelte und zeigte ihre gelben Zähne. „Dann hörte er augenblicklich auf zu toben und beruhigte sich.“
    „Wusste seine Mutter, was Sie mit ihm taten?“
    „Lady Wexford war froh darüber. Stevie war nämlich ihr Stiefsohn. Seine Mutter, die erste Lady Wexford, starb bei seiner Geburt. Der kleine Stevie und seine Stiefmutter kamen nicht gut miteinander aus.“
    „Wie kamen Sie und der kleine Stevie denn miteinander aus?“, fragte Thor düster.
    „Ich kann nicht klagen. Ich hatte mir eine Birkenrute auf einem Schrank im Kinderzimmer zurechtgelegt. Und wenn er unfolgsam war, versohlte ich ihm den Hintern. Es dauerte nicht lang, bis er begriff, dass es ratsam für ihn war, mir zu gehorchen.“
    „Und als er älter wurde?“, fragte Thor. „Was haben Sie später von ihm verlangt?“
    Lindsey sah Thor fragend an, da sie nicht wusste, was er mit der Frage bezweckte. Als sie sich Tilly wieder zuwandte, standen Schweißperlen auf der Stirn der Frau.
    Sie zuckte mit den Achseln, und ihr Blick flog unstet hin und her. „Ich habe nichts getan, womit er nicht einverstanden gewesen wäre. Er war schließlich im Heranwachsen und musste ein paar Dinge über Frauen wissen. Ich habe ihm nur geholfen zu lernen.“
    Wie gelähmt saß Lindsey da und versuchte, den Sinn der Worte von Stephens Kindermädchen zu begreifen. Wollte sie damit etwa andeuten, dass sie den Knaben zu Vertraulichkeiten gezwungen hatte? Thors verächtliche Miene bestärkte sie in der Vermutung, dass die Frau sich tatsächlich an dem Knaben vergangen hatte.
    Abrupt stand Lindsey auf, ihre Knie zitterten. „Ich denke, es ist Zeit für uns zu gehen, Miss Coote. Vielen Dank für Ihre Auskunft.“
    „Wie gesagt, ich habe ihm nur beigebracht, was er wissen musste.“
    „Davon bin ich überzeugt“, erwiderte Lindsey kühl. Kein Wunder, dass Stephen diese Tilly Coote hasste. Und Lindsey glaubte außerdem, eine Erklärung dafür gefunden zu haben, warum er als Frauenmörder sein Unwesen trieb.
    „Fühlst du dich nicht wohl?“ Thors Stimme drang über das Holpern der Räder an Lindseys Ohr.
    „Es geht schon.“ Sie blickte aus dem Fenster der fahrenden Kutsche. „Woher wusstest du, was sie Stephen angetan hat?“
    Seine Miene verfinsterte sich. „Es war etwas in ihren Augen, in ihrem Gesicht … Eine gewisse Härte und Bitterkeit, ein seltsames Flackern, das ein Mann bei einer Frau erkennt, ungeachtet ihres Alters. Sie hat keinen Mann – jetzt nicht und damals nicht. Und ich vermutete, dass sie ihr ungestilltes Triebleben an dem Knaben befriedigte.“
    Lindsey seufzte. „Es stimmt mich traurig, was Stephen als Kind durchmachen musste.“
    „Viele Menschen haben eine unglückliche Kindheit. Das ist noch lange kein Grund, zum Mörder zu werden.“
    Etwas in seiner Stimme ließ sie aufhorchen. Sie hätte schon immer gern etwas aus seiner Kindheit gewusst. „Und du? Hattest du eine glückliche Kindheit?“
    Er zog die breiten Schultern unter dem feinen Tuch seines dunkelbraunen Gehrocks hoch. Dazu trug er eine modische Weste und eine makellos gebundene Seidenkrawatte. Wenn sie es nicht besser wüsste, hätte sie ihn tatsächlich für einen Gentleman aus vornehmer Familie gehalten.
    „Als ich acht war, starb meine Mutter“, sagte er zu ihrem Erstaunen, da er bisher nicht viel von seinem Leben auf der Insel preisgegeben hatte. „Ich erinnere mich nur schwach an sie. Leif

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