Mein mutiges Herz
für Lindsey war sie allerdings eine ziemliche Enttäuschung gewesen.
„Sie sagen, wenn die Götter es wünschen. Glauben Sie denn, es gibt nicht nur einen Gott?“
„Viele Jahre vor meiner Geburt landete ein Priester auf unserer Insel. Er lehrte unserem Volk den Glauben an euren christlichen Gott, aber wir glauben immer noch an die alten Gottheiten der Wikinger.“
„Dann war Ihre Insel die Heimat der Wikinger?“
Er fixierte sie. „Wir sind immer noch Wikinger. Unsere Lebensweise hat sich seit Jahrhunderten nicht verändert.“
„Wollen Sie damit sagen, dass Sie tatsächlich ein …“
„Ja, der bin ich.“
Lindsey betrachtete sein Profil und fragte sich, ob sie richtig gehört hatte. Sie dachte an seine Kraft, an seinen Kampfgeist, an die Besessenheit, mit der er ihre Angreifer außer Gefecht gesetzt hatte. „Du meine Güte.“
„Leif und ich, wir reden nicht viel darüber. Den Leuten in diesem Land fällt es schwer, unsere Lebensart zu akzeptieren. Und ich wünsche nicht, dass Sie darüber in Ihrer Kolumne schreiben.“
„Natürlich nicht! Ich würde niemals etwas verwenden, was Sie mir im Vertrauen erzählen.“
Im vorbeiziehenden Schein der Straßenlaternen studierte er ihr Gesicht. „Nein, das würden Sie nicht tun. Sie sind störrisch und eigensinnig und bei Weitem zu vorwitzig für eine Frau, aber Sie haben auch Ehrgefühl. Und ich glaube, Sie wissen das Vertrauen eines Mannes zu schätzen.“
Sie wusste nicht recht, ob sie sich geschmeichelt oder gekränkt fühlen sollte. Daher beschloss sie, das Gespräch einem harmlosen Thema zuzuwenden. „Warum sind Sie nach England gekommen?“
„Weil ich wissen wollte, ob die Welt außerhalb unserer Insel nur ein Traum meines Bruders war.“ Thor erzählte, dass eines Tages ein großes Schiff an der Felsenküste der Insel zerschellte und den Bewohnern Holz lieferte, um ein Segelschiff zu bauen. Diese Gelegenheit hatte Leif ergriffen, um seine Heimat zu verlassen. Er stach mit einer Schar junger Männer in See, und als er nach einem Jahr nicht zurückgekehrt war, hielt man ihn für tot.
Schließlich kehrte er mit seiner Braut an seiner Seite zurück, hatte aber nicht die Absicht zu bleiben.
„Es war der Wille der Götter, dass mein Bruder sich in England niederließ. Und ich begleitete ihn. Ich wollte Neues lernen und erfahren, welches Schicksal vor mir liegt.“
Lindsey dachte darüber nach und versuchte, den tieferen Sinn seiner Worte zu begreifen. „Denken Sie manchmal daran, wieder in die Heimat zurückzukehren?“
„Es gibt Zeiten, in denen ich meine anderen Brüder und meine Schwester vermisse und mich nach der Einsamkeit und Schönheit unserer Insel sehne. Aber in England ist es auch schön, draußen auf dem Land, wo das Gras so grün ist und die Hügel mit dichten Wäldern bewachsen sind. Eines Tages werde ich eigenes Land besitzen und meinen Frieden finden.“
Zu gern hätte sie ihm noch weitere Fragen gestellt, aber die Kutsche bog schon in die Mount Street ein. Sie musste irgendwie ins Haus gelangen, ohne gesehen zu werden, da sie sich lebhaft vorstellen konnte, wie entsetzt Tante Delilah beim Anblick ihrer Nichte in diesem unzüchtigen grellen Satinkleid wäre.
Das stattliche Herrenhaus lag vor ihnen. Sie hoffte, dass Elias Mack wohlbehalten in seine Unterkunft über dem Kutschenhaus gekommen war. Sie konnte sich darauf verlassen, dass er über ihr gefährliches Abenteuer Schweigen bewahrte, fragte sich allerdings, welche Lügengeschichte er erfinden würde, um seine Blutergüsse zu erklären.
Thor gab dem Fahrer Anweisung, in der Gasse hinter dem Haus anzuhalten.
„Sie haben Glück, dass Sie nicht irgendeine Frau sind“, meinte er sinnend, als der Wagen am Gartentor vorfuhr. „Sonst würde ich Sie übers Knie legen und Ihnen Ihren hübschen Hintern versohlen zur Strafe für das, was Sie heute Nacht getan haben.“
Lindsey tat so, als habe sie ihn nicht gehört. Thor war nicht ihr Ehemann und würde es nie werden. Als der Wagen zum Stehen kam, sah sie ihm ins Gesicht.
„Mein Bruder schwebt in Lebensgefahr. Ich muss den Mann finden, der diese Frauen getötet hat. Aber nach meiner heutigen Erfahrung ist mir klar geworden, dass ich das nicht alleine schaffe. Wollen Sie mir dabei helfen?“
Lange sah er sie prüfend an, seine Kiefer mahlten. „Wenn ich Nein sage, tun Sie dann wieder etwas Törichtes?“
„Vermutlich.“
„Sie machen mehr Scherereien als ein Sack Flöhe, Miss Graham.“
„Ist das ein Ja?“
„Ja,
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