Mein mutiges Herz
Mann?“ Die Zwillinge schmiegten sich links und rechts an ihn und kraulten ihm mit langen Fingernägeln das Haar. „Du weißt doch, dass Greta und Freda dir großes Vergnügen bereiten können“, schmeichelten sie.
Eine verlegene Röte flog über Thors Wangenknochen. „Nicht heute Nacht.“
„Wie wär’s denn mit mir?“, fragte die Rothaarige, deren pralle Brüste von dem hauchdünnen durchsichtigen Seidengespinst kaum verdeckt wurden. „Ich habe heute frei. Du kannst die ganze Nacht bei mir bleiben, ohne zu bezahlen.“
Thor schüttelte den Kopf. „Ich habe zu tun, aber danke für das Angebot.“
Grundgütiger! Lindsey wusste zwar, dass Frauen ihm schöne Augen machten, aber sie hätte sich nie träumen lassen, dass Prostituierte sich ihm an den Hals warfen! Ein Stich, der sich verdächtig nach Eifersucht anfühlte, durchfuhr sie. Eine unmögliche Situation! Sie müsste empört sein, dass er es wagte, sie in ein Haus der Sünde zu bringen!
Andererseits, wohin hätte er sie sonst in ihrem halb nackten Zustand bringen sollen?
Trotzdem war sie erleichtert, als Madame Fortier die aufdringliche Mädchenschar wegscheuchte.
„Lasst Thor zufrieden! Ihr seht doch, dass er ’eute anderweitig beschäftigt ist.“
Beschäftigt? Mit ihr beschäftigt!
Großer Gott! Lindsey erhaschte einen Blick von sich in einem goldgerahmten Spiegel über dem verschnörkelten Tisch im Vorzimmer. Thors Gehrock reichte ihr bis zu den Knien, ihre Beine und Füße waren nackt, das Haar hing ihr wirr über die Schultern. Hielten diese Frauen sie für eine von ihnen? Eine Prostituierte, die auf Thors Hilfe angewiesen war? Glaubten sie, sie sei eine seiner Bettgefährtinnen?
Sie warf ihm einen Blick zu. In seinem zerrissenen, blutbefleckten Hemd, dem dunklen Haar, das ihm zerzaust in die Stirn hing, sah er so umwerfend gut aus, dass ihr der Atem stockte.
Aber er zeigte nicht das geringste Interesse an ihr. Er war ihr bei ihrem nächtlichen Abenteuer gefolgt, weil er mit Krista befreundet war. Obwohl sie unter seinem Gehrock splitternackt war, hatte er sie nicht ein einziges Mal auch nur annähernd mit einem begehrlichen Blick angesehen, so wie andere Männer die halb nackten Frauen im Red Door anschmachteten.
Sie versuchte sich einzureden, nicht gekränkt zu sein.
„Meine Begleiterin braucht etwas zum Anziehen“, sagte Thor an Madame Fortier gerichtet. „Ich bezahle selbstverständlich dafür.“
Die Dame des Hauses zog eine fein gezupfte Braue hoch. „Isch borge Ihrer Freundin gerne ein Kleid, aber sind Sie sischerr, dass ihr nicht bis zum Morgen bleiben wollt? Ich ’abe ein ’übsches Zimmer, das ich euch gerne zur Verfügung stelle.“
Thors Blick flog zu Lindsey, wanderte über ihre Figur bis zu ihren nackten Beinen und Füßen. Ein Blick, der weder gleichgültig noch missbilligend war. Im Gegenteil: Dieser sengende Blick sagte ihr, dass er nichts lieber tun würde, als Madame Fortiers Angebot anzunehmen und sie nach oben zu tragen.
Lindsey erschrak. Dieser Blick gab ihr unverhohlen zu verstehen, dass Thor Draugr sie begehrte.
Ihr Herz schlug hart gegen die Rippen. Sie konnte die Augen nicht von ihm wenden.
„Nur das Kleid“, antwortete er ziemlich unwirsch. „Mehr brauchen wir nicht.“
Madame Fortier wandte sich zum Gehen. „Kommen Sie, meine Liebe. Mal sehen, was ich für Sie tun kann.“
Thor hielt Lindsey am Arm zurück. „Sie sind noch zu schwach. Soll ich Sie nicht lieber tragen?“
Einen absurden Moment lang wäre sie beinahe der Versuchung erlegen, zu nicken, um noch einmal in seinen Armen zu liegen. Grundgütiger! Sie war keineswegs zu schwach, um sich auf den Beinen zu halten, und sie würde seinem Bann nicht erliegen wie andere Frauen. Nie im Leben!
„Nein, danke.“ Brüsk wandte sie sich ab und folgte Madame Fortier in ein Hinterzimmer. Wenige Minuten später trug sie ein orangefarbenes Satinkleid, in dem sie aussah, als gehöre sie in dieses Bordell; es war so tief ausgeschnitten, dass ihre Brustspitzen beinahe zu sehen waren.
„Tut mir leid“, entschuldigte sich Madame. „Mehr kann ich nicht für Sie tun.“
„Immerhin besser als das, was ich vorhin anhatte.“ Aber nicht wesentlich besser. Lindsey holte tief Atem und folgte der Bordellbesitzerin in den Salon.
Thor drehte sich um, als er Schritte hörte. Eine Frau mit honigfarbenen Haaren und goldbraunen Katzenaugen näherte sich ihm. Keineswegs flach und jungenhaft gebaut, wie er bis vor Kurzem noch vermutet hatte. Sie war schlank
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