Mein Name ist Afra (German Edition)
Ungarn noch unsere Verbündeten waren, wurde Richlint von den meisten Menschen in Pitengouua mit zuvorkommender Freundlichkeit und einer gewissen Vorsicht behandelt, denn keiner wußte genau, ob wir nicht alle eines Tages auf ihre Hilfe und ihren Schutz angewiesen sein würden, weil sie einem Anführer der heidnischen Krieger so eng verbunden war. Besonders Liutbirc von Dornau, deren Mann Arbeo mit Arpad in diesem Sommer an der Lecha Freundschaft geschlossen hatte, war den ganzen Winter über ausgesprochen liebenswürdig zu Richlint, sehr entgegen ihrer früheren, ablehnenden Haltung, und meine Freundin wußte sich oft gar nicht all der Gefälligkeiten und süßen Worte und Einladungen nach Dornau zu erwehren. Doch auch die anderen Frauen und Männer ließen es nicht an Aufmerksamkeiten fehlen, so brachte Chuonrad von Haslach seiner geschiedenen Frau im Januar einen weißen Fuchspelz von der Jagd mit und die Knechte von Pitengouua richteten auf Anweisung des Meiers Leonhard die fast zerfallene Hütte von Folchaid wieder her.
Nur mein alter Vater Wezilo konnte Richlint nicht verzeihen, daß sie sich mit unserem heidnischen und blutdürstigen Erzfeind eingelassen hatte, und er sprach kein Wort mehr mit ihr und strafte sie mit Verachtung, seit ihr Verhältnis mit Arpad offensichtlich und kein Geheimnis mehr war.
Doch von dem Tag an, als der Bruderkrieg zu Ende war und wieder alle vereint gegen die Ungarn standen, veränderte sich die Stimmung im Dorf und im Gau, und Richlint wurde wie eine Aussätzige behandelt.
Niemand wollte zusammen mit ihr arbeiten oder in der Kirche neben ihr stehen, und böse Blicke und feindseliges Gerede folgten ihrer aufrechten Gestalt, wohin sie auch ging. Liutbirc und ihre alte Mutter Uoda übersahen meine Freundin jetzt vollkommen, genauso wie die Haslacher Familie, und nur Eilika, die gutmütige Frau von Wichard, schenkte Richlint hin und wieder ein Lächeln oder einen Gruß, wenn ihr Ehemann nicht dabei war. Die Mägde und Knechte taten es ihrer Herrschaft gleich, und so hatte Richlint nur noch Justina und mich und unsere kleine Kindsmagd Gisel, die all diese Vorgänge nicht richtig begreifen konnte und freundlich zu allen Dorfleuten war. Selbst Leonhard wollte nicht mehr, daß Richlint bei uns im Meierhof ein und ausging, obwohl der Hof wie ihr Zuhause war und ich und meine Kinder wie ihre Familie, und nur dank eines vom Altmeier Wezilo gesprochenen Machtwortes stand ihr die Tür bei uns weiter offen. Denn mein Vater handelte stets nach seiner tiefen christlichen Überzeugung, und deshalb nahm er Richlint wieder in sein Herz auf, als sie schutzlos und verfemt war, obwohl er sie vorher verachtet hatte, und er versuchte durch seine innigen Gebete, sie im Glauben zu stärken und ihr zu helfen.
Sobald die Schwangerschaft von Richlint nicht mehr zu verbergen und für alle neugierigen Augen sichtbar war, wurde das Gerede im Dorf gehässig und richtig böse, und meine Freundin mußte sich als schamlose Hure und Ungarnschlampe bezeichnen lassen, die es nicht wert sei, ihr tägliches Essen und ihre Unterkunft in einem ordentlichen und christlichen Dorf zu erhalten. Sogar vor mir als der Meiersfrau hielten sich die gemeinen Stimmen nicht zurück, und wenn ich mit den Mägden im Stall oder im Garten arbeitete, redeten sie über Richlint und ihr ungeborenes Kind, als wenn ich nicht da wäre.
„Solch ein Weib sollte man gleich im Gumpen ertränken, mitsamt dem heidnischen Balg in ihrem Leib! Sie bringt nur Unglück über Pitengouua, und wenn der Bischof in Augusburc oder der Herzog von ihrer Liebschaft mit einem feindlichen Ungarn erfahren, werden sie uns alle dafür verantwortlich machen und uns bitter bestrafen!“
Diese Worte einer Frau aus unserem Dorf wurden laut und deutlich gesprochen, denn sie waren für meine Ohren bestimmt, aber ich senkte nur den Kopf und tat so, als ob ich nichts gehört hätte.
Richlint war meine Freundin und Vertraute und ich würde sie nicht verleugnen, aber ihr eigensinniges Verhalten und ihre sorglosen Reden zu dieser Zeit konnte ich nicht verstehen, und Wut auf ihr unvernünftiges Gebaren und Angst um ihre und meine Zukunft beunruhigten mein Herz.
Denn Richlint gab sich nicht reumütig und bescheiden, und sie beugte nicht demütig ihr Haupt und flehte auf Knien in der Kirche Christus um Vergebung für ihre große Schuld, wie alle es von ihr erwarteten. Sie hielt an Arpad und ihrer Liebe zu ihm fest, auch wenn dieser Mann jetzt wieder ein Feind der Baiern
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