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Mein Name ist Afra (German Edition)

Mein Name ist Afra (German Edition)

Titel: Mein Name ist Afra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Dopfer-Werner
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neuen Rolle als verheiratete Frau und Herrin des stattlichen Hofes über der Lecha fühlte sie sich sehr wichtig, und bei der feierlichen Messe, die Udalrich in unserer kleinen Holzkirche abhielt, saß sie in der vordersten Bank der Frauen beim Altar, obwohl das eigentlich der Platz meiner Schwester Walburc als Meierin und ersten Frau des Dorfes gewesen wäre. Walburc aber erhob keinen Einspruch dagegen, denn sie war ganz erfüllt von der Gegenwart und dem Auftreten des mächtigen und gelehrten Bischofs und lauschte demütig und fromm seinen Worten.
    Der Kirchenfürst Udalrich aus Augusburc war von beeindruckender Gestalt, er war der größte Mann, den ich je gesehen hatte, und sein schmales, fast hageres Gesicht mit den tief liegenden Augen, der langen, geraden Nase und dem sorgfältig gebürsteten Bart zog auch mich sofort in seinen Bann. Am Tag nach seiner Ankunft auf dem Meierberg ritt er mit seinem adeligen Gefolge hinunter ins Dorf und in die Kirche, um dort das Sendgericht abzuhalten, dabei fragte er die Menschen nach ihren Sorgen und Nöten, nach ihren Verstößen gegen den Glauben und nach Vorschlägen, was man in dieser Gemeinde verbessern könnte, und er erneuerte mit uns allen das christliche Glaubensbekenntnis.
    Mit vielstimmigem Glockengeläut wurde er empfangen und vom Priester und den Herren des Gaus, Wezilo, Sigiboto, Severin und Wicpert, in unsere einfache, aber festlich mit Tüchern und Kerzen geschmückte Kirche geleitet. Dort feierte er in einem kostbaren, seidenen Meßgewand und einer mit Goldfäden bestickten Dalmatica zusammen mit den Geistlichen aus seiner Begleitung die heilige Messe, und sein tiefer Glaube an Gott und die Inbrunst, mit der er vor allem für die Armen, Kranken und Notleidenden dieses Landes betete, berührte die Menschen von Pitengouua sehr. Der Bischof ermahnte uns alle, um der Liebe Christi willen die Nackten zu kleiden, Hungernde und Durstige mit Speise und Trank zu versorgen, Kranke und Sieche zu pflegen und Armen und Obdachlosen Unterkunft zu gewähren. Nach der Messe empfing er vor der Kirchentüre einige Bettler und Aussätzige, und keiner mußte mit leeren Händen weiterziehen, denn Udalrich setzte sich erst zum Festmahl nieder, als alle Armen und Gebrechlichen ein Geldstück und etwas von dem guten Essen auf der Tafel erhalten hatten.
    Richlint und ich waren wie die anderen Frauen auch beim Essen nicht dabei, da saßen nur der Bischof, der Königssohn Liudolf, die adeligen Brüder von Udalrich, Manegold und Dietpald, und all die anderen hochgeborenen Herren mit den künftigen Pilgern, unserem Priester und den freien Männern unserer Gemeinde beieinander und tranken den süßen und teuren Wein des Händlers Hildeger. Aber nach Beendigung des Mahls wurden wir Mädchen vom Haslachbauern Sigiboto und von meinem Vater Wezilo an ihren Tisch gerufen, und sie verkündeten unsere Verlobung mit Chuonrad und Leonhard, die mitten unter den Herren saßen, und baten den Bischof um seinen persönlichen Segen für diese Verbindungen. Ich wagte kaum zu atmen in der Gegenwart dieses frommen Mannes und spürte die Angespanntheit von Richlint dicht neben mir, und wir knieten zusammen vor dem Bischof nieder und küßten die Hand mit dem schweren, goldenen Siegelring, die er uns reichte. Udalrich machte mit dem Daumen das Kreuzzeichen über meiner Stirn und über der von Richlint, erbat die Fürbitte der Gottesmutter Maria für diese zwei Ehen und die daraus entstehenden Kinder, und er ermahnte uns eindringlich, immer den christlichen Geboten zu gehorchen und im Glauben und in der Nächstenliebe ein gutes Vorbild für unsere Untergebenen zu sein.
    Während der Bischof sprach, hielten wir unsere Köpfe tief gesenkt und schauten niemanden an, aber als seine Rede beendet schien, blickte ich in das strenge Antlitz hinauf und sah die sehr hellen, eisblauen Augen düster und voller Sorge auf der knieenden Richlint ruhen, deren Widerwillen gegen die Heirat mit Chuonrad an ihrem verschlossenen Gesichtsausdruck und den fest geballten Händen zu ersehen war. „Der allmächtige Gott und dein Oheim, der Welfengraf Roudolf, wissen sehr wohl, was für dich gut ist, Mädchen!“ Udalrich sprach leise, nur für die Ohren von Richlint und mir, aber sein Ton war hart und bestimmend. „Gib´ deinen Widerstand auf und gehorche, wie es deine Pflicht als Frau nach Gottes Willen ist. Du wirst deine Erfüllung finden in der Arbeit auf dem Hof und in den Kindern, die Gott dir schenken wird, und das tägliche

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