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Mein Name ist Afra (German Edition)

Mein Name ist Afra (German Edition)

Titel: Mein Name ist Afra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Dopfer-Werner
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stand, denn das Kind in meinem Bauch drängte nach draußen und ließ mir keine Ruhe mehr. Als dann die Wehen einsetzten und in immer kürzeren Abständen wie schmerzhafte Krämpfe durch meinen Körper liefen, versorgte ich zuerst meine Tiere und stellte ihnen genügend Futter und frisches Wasser bereit, denn ich weiß, daß das Gebären beim ersten Kind oft sehr lange dauern kann. Dann habe ich den Ofen mit Holz gefüllt und mir ein warmes Bad mit entspannenden und krampflösenden Kräutern bereitet, und hier in der Badstube lagen schon alle Dinge bereit, die ich gewöhnlich bei Geburten brauche, saubere Tücher und warmes Wasser, um das Neugeborene und mich selbst zu waschen und einzuhüllen, eine dünne Schnur aus Hanf und ein scharfes Messer, um die Lebensschnur des Kindes von mir zu trennen, und eine ganze Wegerichpflanze, den Blutwurz, mitsamt seiner Wurzel, damit ich ihn während der Geburt in der linken Hand halten konnte und dadurch nicht zuviel Blut verlieren würde.“
    Justina schaukelte das Kind zärtlich auf ihren Armen und lächelte uns voller Glück an. „Und dann ging es ganz schnell, viel einfacher, als ich es mir selbst vorgestellt hatte! Dieser kleine Mann hier hat kräftig mitgeholfen, und nach dreimaligem festem Pressen rutschte er wie von selbst aus mir heraus, direkt auf das weiche Lager aus Moos und Heilpflanzen, auf dem ich hockte, und er tat seinen ersten Schrei laut und mit solcher Gewalt, daß Cimbro erschrocken seinen Kopf zur Tür hereinstreckte!“
    Ich war sehr froh, daß unsere Freundin mit ihrem Heilwissen und durch die Hilfe ihrer Göttin eine so leichte Geburt erlebt hatte, denn viele Frauen lagen oft tagelang in den Kindsnöten und verloren durch den heftigen Blutfluß sogar ihr Leben dabei. Neugierig fragte ich Justina, ob sie schon einen Namen für den kleinen Jungen ausgesucht hatte, denn die Bedeutung des Namens einer Person war bei uns im Gau sehr wichtig und sollte entweder auf die Familie des Kindes hinweisen, gute Wünsche und Eigenheiten für seine Zukunft enthalten oder den besonderen Schutz eines Heiligen bewirken. Justina antwortete mir ohne Zögern. „Ja, er hat schon einen Namen, mein kleiner Engel, und in ein paar Wochen soll ihn der Priester in der Kirche von Pitengouua nach dem Ritus der römischen Kirche auf diesen Namen taufen, denn er ist ein Kind dieses Landes und er soll hier aufwachsen und an Gott glauben wie die anderen Kinder auch! Mein Sohn trägt den Namen Riwin, denn rihhi bedeutet Reichtum, Macht und Herrschaft, das soll er für sein Leben gewinnen, und wini meint einen Freund, denn ein treuer Freund für Menschen und Tiere soll er werden und sein.“
    Justina machte mit ihrer Entscheidung für die christliche Taufe und mit der Wahl des Namens Riwin ganz deutlich, daß der kleine Junge eben doch nicht nur ihr Kind, das einer fast heidnischen, aus dem fremden Land Tuscia stammenden Sklavin war, sondern daß er auch der Sohn eines hochgeborenen, christlichen Mannes aus Baiern war, das Kind von Arbeo. „Wenn es ein Mädchen geworden wäre,“ sagte sie nachdenklich, „dann hätte es einen Namen aus dem Land meiner Mutter bekommen, und ich hätte ihr von unserer Göttin erzählt und sie alles über die Heilung von Menschen und Tieren gelehrt. Aber der Sohn einer unfreien Magd kann sich nur aus der Knechtschaft befreien, wenn er für den König tapfer kämpft und ein guter, christlicher Gefolgsmann ist, und diesen Weg zur Freiheit will ich für den kleinen Riwin offenhalten, er soll sich selber entscheiden, was er für ein Leben führen will.“
    Bei den Worten von Justina mußte ich an Arbeo denken, und wie seine Augen nach ihr suchend über die vielen Menschen geglitten waren, die beim Aufbruch der Pilger nach Rom auf unserem Dorfplatz versammelt waren und dem Bischof und seinen Männern zujubelten. Justina war nicht darunter gewesen, denn gleich nach einer unruhigen und beengten Nacht auf unserem gemeinsamen Lager im Meierhof war sie in aller Frühe allein und zu Fuß zu ihrem Gutshof aufgebrochen. Sie wollte nicht dabei sein, wenn Arbeo von allen Abschied nahm und für Jahre in ein fremdes Land zog, und vor allem wollte sie nicht auf Liutbirc treffen, die Arbeo vor seiner Abreise geheiratet hatte. Denn Liutbirc war natürlich von der Dornau, die jetzt ihre Heimat war, sofort nach Pitengouua geritten, als der Bischof mit seinen adeligen Begleitern eintraf und auf der Burg, dem Wohnsitz ihrer Eltern Uoda und Wicpert, sein Lager aufschlug. In ihrer

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