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Mein Name ist Afra (German Edition)

Mein Name ist Afra (German Edition)

Titel: Mein Name ist Afra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Dopfer-Werner
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vollkommen ruhig verhalten, damit sie ihn für schlafend hielten, und jetzt drehte er sich unter lautem Ächzen um und schimpfte leise auf die kratzige Bettstatt.
    „Verfluchtes Stroh! Da hätte ich ja in meinem alten Karren noch besser geschlafen als auf diesem harten Büßerlager!“ Und er dachte darüber nach, daß es trotz der gelegentlichen Unbehaglichkeiten eines fahrenden Händlers besser war, ein freier Mann zu sein, der über sich selbst bestimmen konnte, als eine Frau, die der Willkür ihrer männlichen Angehörigen ganz und gar ausgeliefert ist. „Mit der kleinen Richlint möchte ich nicht tauschen, wenn sie jetzt Chuonrad nehmen muß, denn von den Haslachern hat mir noch nie einer etwas abgekauft, auf diesem Hof leben sie sehr genügsam und nur für die Arbeit und das Beten und ihren Stolz! Das wird nicht leicht werden für das Kind, da draußen am Schnaitberg, aber das ist nun mal das Los der Frauen. Aber diese Justina! Das ist ein Weib, wie ich noch keines getroffen habe, so klug und geschickt wie ein Mann, und schön obendrein, man möchte nicht glauben, daß es sich um eine gewöhnliche Sklavin handelt! Daß der junge Arbeo diese Frau der törichten Liutbirc trotz deren Gold vorzieht, das kann ich gut verstehen, und ich wäre selber gerne mal bei ihr im Bett, wenn ich nicht fürchten müßte, dabei von ihrem riesigen, weißen Hund zerrissen zu werden!“ Und er gluckste leise vor sich hin und war über seinen Gedanken bald eingeschlafen.

Afra
     
    Als der Frühling weiter vorangeschritten und es fast schon Sommer war, zwei Monate nach dem Besuch des Bischofs in unserer Gemeinde und dem Aufbruch der Pilger nach Rom, als unsere Dorflinde in üppiger, zartgelber Blütenpracht stand und emsige Bienenschwärme zuhauf aufgeregt summend von ihrem betörend süßen Duft angelockt wurden, zu dieser Zeit gebar Justina ihr Kind. Es war genauso, wie sie es uns vorausgesagt hatte, „wenn meine Ziegen ihre Jungen werfen, werde ich ein Kind bekommen“, und Richlint und ich waren erstaunt von der Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der alles vonstatten ging.
    In den letzten Wochen vor der Geburt war Justina schwerfällig und unbeweglich geworden, und wir bedrängten sie, doch für die nächste Zeit bei uns im Meierhof zu leben, damit sie nicht allein wäre, wenn ihr Kind geboren wurde. Doch sie bestand darauf, bei ihren Tieren in dem verfallenen Gutshof draußen im Weinland zu bleiben, und Richlint und ich wanderten zu ihr hinaus, sooft es uns möglich war. An einem Sonntag nach dem gemeinsamen Kirchgang waren wir am Bach entlang wieder zu Justina unterwegs, es war ein frühsommerlicher, warmer Tag mit viel Sonnenschein, und schon von weitem hörten und sahen wir die Ziegenherde mit ihren Glocken und den vielen kleinen Zicklein, die munter und frech zwischen den Beinen ihrer Ziegenmütter und auf den Schutthügeln vor dem Gutshof herumsprangen. Der weiße Hund Cimbro begrüßte uns beim Tor, und Justina fanden wir im warmen Badhaus zwischen ihren Kräutern und Heilmitteln. In einem ungefärbten, weichen Wolltuch, das sie sich um den Körper gewickelt hatte, trug sie ihr Neugeborenes vor der Brust, und sie wirkte frisch und rosig und strahlte uns an.
    „Afra und Richlint! Ja, er ist da, mein Sohn ist geboren! Macht nicht so ungläubige, große Augen, sondern kommt her und seht ihn euch an! Ist es nicht das schönste Kind, das je eine Frau auf diese Welt gebracht hat?“
    Justina setzte sich auf die gemauerte Ofenbank und legte das Kind auf ihren Schoß, wickelte es vorsichtig aus der Wolldecke und dem darunterliegenden Leinentuch und zeigte uns den kleinen Jungen nackt, wie er geboren wurde. Staunend betrachteten wir das winzige, zappelnde Wesen mit seiner zarten, fast durchscheinenden Haut und den feingeformten Gliedern, den tiefschwarzen Augen der Mutter und dem dichten, dunklen Haar auf dem runden Köpfchen, seidig wie der Pelz eines Frettchens. Die zierlichen Hände waren klein wie die Knospen einer Blume, und wenn man die Innenseite sanft berührte, schlossen sich die winzigen Finger zu einer Faust.
    „Er ist wirklich wunderschön, das vollkommenste Neugeborene, das ich je gesehen habe!“ rief Richlint voller Staunen aus, „aber wie hast du das nur gemacht, ihn ganz allein und ohne die Hilfe von anderen Frauen zu gebären?“
    Die junge Mutter bedeckte das Kind wieder sorgfältig und nahm es dann auf den Arm.„Schon seit mehreren Tagen habe ich gespürt, daß die Niederkunft kurz bevor

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