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Mein Name ist Afra (German Edition)

Mein Name ist Afra (German Edition)

Titel: Mein Name ist Afra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Dopfer-Werner
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verstorbenen Ahnen ihre Nachfahren beschützen und ihr Leben verfolgen konnten, sondern bei der Kirche des Gaus, damit die Toten nahe bei Gott waren.
    Das Oberhaupt der Familie und aller Hörigen und Leibeigenen des Anwesens am Haselbach war jetzt Sigibotos ältester Sohn Chuonrad, ein mittelgroßer, kräftiger Mann mit bedächtigen Bewegungen und einer tiefen, befehlsgewohnten Stimme, die laut und weithin hörbar über den Hofplatz schallte. Er saß bereits mit der vollständigen Jagdausrüstung auf seinem unruhig tänzelnden Pferd, einem stämmigen braunen Hengst mit dichter, blonder Mähne und bodenlangem Schweif, und die bunt gefleckten Hunde der Meute sprangen jaulend vor Aufregung um den Reiter herum, die treuen Augen aufmerksam immer auf ihren Herrn und jede seiner Bewegungen gerichtet, um ja keinen Befehl zu versäumen und damit seinen Unwillen und einen Schlag mit der langen, ledernen Peitsche in seiner Faust auf sich zu ziehen. Ungeduldig wartete Chuonrad auf seinen jüngeren Bruder Utz, der eben erst sein Pferd gesattelt hatte und noch an den verschiedenen langen und kurzen Messern in seinem Gürtel nestelte.
    „Nun komm endlich, Bruder, der Bär wartet nicht auf uns! Bestimmt hat er den Lärm der Hunde schon vernommen und sich auf den Berg verzogen, und die Treiber werden alle Mühe haben, ihn wieder ausfindig zu machen und uns vor die Speere zu bringen! Es liegt Schnee in der Luft, ich kann es deutlich riechen, und damit ist das unsere letzte Möglichkeit vor dem Winter, auf Bärenjagd zu gehen, denn wenn sie sich erst in ihren Höhlen einschneien lassen, sind sie bis zum Frühjahr schwer aufzustöbern!“
    Der schlanke Utz mit seinem strohfarbenen, wirren Haar und dem offenen Wesen war ein ganz anderer Mann als sein älterer Bruder, und er ließ sich auch jetzt vom aufgebrachten Ton Chuonrads nicht einschüchtern, sondern stieg in aller Ruhe auf sein Pferd und lächelte fröhlich in die Runde. „Wenn wir den Bär heute nicht mehr erwischen, dann jagen wir eben die vielen Graubärte in der Wolfsgrube drunten, denn eine echte Plage sind sie allemal, ganz besonders in der kalten Jahreszeit! Und auch ihr dichtes Winterfell ist nicht zu verachten, das gäbe einen schönen, warmen Umhang für die Hausfrau des Hofes, wenn sie am Sonntag nach Pitengouua zur Kirche reitet, da hätten die Burgleute was zum Schauen, nicht wahr, Richlint!“
    Utz kannte die besondere Vorliebe der Frau seines Bruders für schöne, farbige Kleidung und auffallende Tierhäute, und ein Pelzumhang stand ihr als Herrin vom Haslach auch zu. Chuonrad aber schaute seinen Bruder mißmutig an. „Bärenjagd war ausgemacht für diesen Tag, nach Wölfen können wir den ganzen Winter über jagen, und dazu brauchen wir nicht jeden einzelnen Mann vom Haslach! Schluß jetzt mit dem unnützen Gerede, wir brechen auf!“
    Ein flüchtiges Nicken zu seiner Frau unter der Eiche, und dann drückte er dem Hengst die Schenkel kurz und kräftig in die Flanken und trabte über die Brücke aus dem Hofplatz, durch das offenstehende Holztor und auf den Schnaitberg zu, hinter ihm zu Fuß mehrere Knechte und Hörige, bewaffnet mit langen Speeren aus Holz und aufgesetzten, eisernen Spitzen, mit Köchern voll spitzer Pfeile auf dem Rücken und um den Leib gehängten Bögen aus biegsamem Eibenholz. Die Hundemeute lief laut kläffend voran, begierig auf die Hatz schnüffelten die Tiere eifrig am Boden herum und hechelten mit weit heraushängenden, roten Zungen nach Luft. Utz lächelte Richlint noch einmal zu und zuckte kurz und bedauernd mit seinen Schultern, so als ob er das rüde Verhalten von Chuonrad entschuldigen wollte, und dann preschte er mit einem Satz dem Trupp hinterher und setzte sich neben seinen Bruder an die Spitze der Jäger.     
    Trotzdem die drei Söhne des Sigiboto im Haslach unter derselben strengen Zucht eines herrischen und alles nach seinen eigenen Werten bestimmenden Vaters aufgewachsen waren, unterschieden sie sich doch sowohl im Aussehen wie in ihrem Wesen deutlich voneinander, und sie waren auf den ersten Blick für einen Fremden nicht als Brüder zu erkennen. Chuonrad, der Älteste, hatte die gleichen dunkelbraunen Haare und den verfilzten, dichten Bart wie sein Vater in jungen Jahren, bevor er grau und schütter geworden war, und genau wie beim verstorbenen Sigiboto war ihm das Ansehen der gesamten Familie mit den Knechten und Mägden und die Vermehrung des Reichtums der Haslacher Sippe das wichtigste Anliegen. Dabei wurde er dem

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