Mein Name ist Eugen
nicht als Deutschlehrer, sondern als Jünger der Musen beleidigend.
Nun gibt es aber noch zwei Dinge, die mich ganz besonders treffen: Erstens: Mich erschreckt Deine Ehrfurchtslosigkeit gegenüber älteren Leuten, und besonders gegen die Eltern. Sie, die Dich gehegt und gepflegt, umsorgt und genährt haben, verdienen eine andere Einstellung. Für Eure alles andere als komischen Lumpenstücklein macht Ihr unentwegt die ältere Generation verantwortlich. Eugen, ich erinnere Dich an Deinen Herrn Vater. Ich kenne ihn aus jüngeren Tagen und verehre ihn. Was wärest Du ohne ihn? — Auch Deiner Tante bin ich mehrfach begegnet, und ich muss schon sagen: Was Du Dir ihr gegenüber herausnimmst, zeugt von einer beklagenswerten Missachtung der Würde des Alters. Verstehe mich recht: Nicht dass ich gelegentliche Entgleisungen in allerhand Lausbübereien nicht verzeihen könnte. Man ist schliesslich auch einmal jung gewesen. Aber, wie man sagt: «C’est le ton, qui fait la musique.» Es geht Dir und Deinen sauberen Kumpanen alle Achtung vor höheren Werten ab. Käme ein solches Machwerk wie das Deinige unter die Leute, so hülfe es ein Stück weiter auf dem Weg der modernen Sittenverderbnis.
Und endlich, was Deine Einstellung zur Lehrerschaft betrifft. Du wirst Dir im klaren sein, dass Deine diesbezüglichen Auslassungen genügen würden, um — vor die Lehrerkonferenz gebracht — Deiner Laufbahn in unserer Schule ein Ende zu setzen. Um Dir zu beweisen, wie sehr Du Dich in bezug auf unsereinen irrst, erkläre ich Dir, dass ich das Gelesene für mich behalten werde. Wir sind vielleicht doch grosszügiger, als Du meinst. Ich werde Dich nicht strafen, wie es Dir eigentlich gehörte. Eines aber kann ich Dir nicht ersparen: Lieber Eugen, was Du über mich und meine Kollegen schreibst, stimmt mich traurig. Sind wir wirklich so, wie Du uns schilderst? — Sind wir wirklich so ohne Verständnis für die Jugend? Muss Dir dieser Brief nicht das Gegenteil beweisen? — Sind nicht auch wir Menschen, die sich redlich bemühen, das Beste zu geben? Sind wir nicht mit Hingabe am Werk, aus Euch Jungen Leute zu machen, die im Leben draussen ihren Mann stellen? Haben wir das verdient, was Du über uns schreibst? Ich frage Dich, Eugen: Bist Du gerecht in Deinem Urteil?
Doch genug solcher Erwägungen. Mehr schreiben hiesse Deinem Geschreibsel zu viel Ehre antun. Zum Schluss lass es Dir von einem Menschen — und ich darf beifügen
— von einem älteren Kameraden, der in diesen Dingen über Erfahrung verfügt, noch einmal sagen: Ein Schriftsteller oder ein Dichter bist Du nun einmal nicht und wirst es auch nie sein. Darum: Schuster, bleib bei Deinem Leisten! Sei Du etwas fleissiger und aufmerksamer in der Schule und etwas botmässiger zu Hause, dann ist das eine höhere Leistung, als diese verunglückte Schriftstellerei. Auf Dich passt das, was Wilhelm Busch einst so trefflich gesagt hat: «Wenn einer, der mit Mühe kaum / gekrochen ist auf einen Baum, / schon meint, dass er ein Vogel wär, / so irrt sich der.»
Ich erwarte von Dir in Zukunft ganz andere Leistungen.
Mit freundlichem Gruss trotz allem
bin ich Dein
August Klameth, Gymnasiallehrer
Da liegt dieser Brief also zuoberst auf meinem Buch. Mir ist die Lust am Weiterschreiben vergangen. Alle Mühe war umsonst. Ich bin ein schlechter Mensch mit einer niedrigen Gesinnung.
Das ändert für mich alles.
Und überhaupt, es hat vieles geändert während des Jahres, wo ich schrieb. Der Wrigley zum Beispiel hat denn Stimmbruch bekommen und er sagt, mit uns Säuglingen verkehre er nicht mehr. Er schmiert sein Haar mit Brillantine ein und trägt an seinem Hemd einen Schlips. Ich begreife ihn nicht mehr. Vor drei Tagen zum Beispiel lag auf dem Tisch seine Brieftasche, die er sich zugelegt hat. Was lag darin? So frage ich! — Eine Photo von einem Mädchen! Und dahinter lag ein Zettel, auf dem in Wrigleys Handschrift zu lesen steht:
Wenn ich an deinem Fenster steh
In mondenheller Nacht,
Wünscht’ ich, dass ich dich Holde seh,
Drum geb ich stark Obacht.
Das gab mir einen Stich. So also hat sich der Wrigley verändert. Aus dem Buch wird nichts.
HOCH DEUTSCHER
SPRACHFÜHRER ZUM EUGEN
O du mein lieber hochdeutscher Leser !
Gestern schreibt mir mein Verleger einen Brief: «Lieber Eugen», so schreibt er, «die Menschheit versteht leider Dein Buch nicht. Wenigstens die hochdeutsche Menschheit. Bloss wegen Deiner häufigen Rückfälle in die Schweizer Mundart. So korrigiere Du nun
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