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Mein Name ist Toastbrot (German Edition)

Mein Name ist Toastbrot (German Edition)

Titel: Mein Name ist Toastbrot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dino Capovilla
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hätte. Er redete eine Ewigkeit, und als diese Ewigkeit ihr Ende zu nehmen schien, dauerte es eine weitere Ewigkeit. Aus dem Gespräch nahm ich die Erkenntnis mit, dass es hier vor allem darauf ankam, dem Rektor ins Rektum zu kriechen. Kurze Zeit später stapfte ich neben diesem mächtigen Wesen Richtung Lehrerzimmer, wo er Herr Dr. Krumm vor die Tür rief. Herr Dr. Krumm machte mir nach einigen letzten unnötigen mahnenden Worten des Rektors sofort klar, dass er meine Vorgeschichte kenne und er nicht nur ein Auge, sondern auch noch jedes Hühnerauge auf mich richten würde.
    Nun war es an der Zeit, mich dem Rudel Babybestien in der 10ten Klasse zu stellen. Mein Herz spürte ich unterhalb der Ohrläppchen pochen. Ich sog diese Emotion auf wie ein Kamel das Wasser, das nach einer Ewigkeit vor einem Tümpel steht. Herr Dr. Krumm öffnete die Tür und wies mich ins Klassenzimmer. Aus dem Klassenzimmer schlug mir der typische süßliche Schweißgeruch der Schüler entgegen. Er entsteht, wenn sich getrockneter mit frischem Schweiß mischt.Der durchschnittliche Schüler erlebt solche Schweißausbrüche häufig als körperliche Reaktion auf Angst. Die Hände werden nass und kalt und fühlen sich wie eine Kröte an, der man zu nahe gekommen ist. Schon komisch, dass Lehrer das so einfach aushalten.
    Ich sollte mich kurz vorstellen, wurde an exponierter Stelle platziert und erhielt das Wort.
    „Mein Name ist David.“
    Dann folgte das Übliche. Anschließend sagte ich:
    „Ich bin behindert, mir fehlt ein Fuß und ich hoffe, ihr habt genau so wenig ein Problem damit wie ich.“
    Dies führte augenblicklich dazu, dass sich beinahe alle Blicke gleichzeitig auf meine Füße richteten. Schon blöd, wenn man jetzt nur spekulieren kann, welcher der beiden es ist.
    Dieser offensiven Strategie folgte ich auf Anraten meines Therapeuten. Er war der Meinung, dass dieses Vorgehen die Spekulation über das "Warum humpelt, er?“, direkt zur Frage „Wie ist das so?“ verlagern würde. Der diensthabende Lehrer wies mir einen Platz zu, Herr Dr. Krumm verzog sich und ich sank in den unbequemen Holzstuhl, indem ich die nächsten Jahre zubringen sollte. Ich hatte das Gefühl, dass es prima gelaufen war, konnte mich aber von dem Gedanken nicht lösen, dass ich mich kurz vorstellen sollte. Warum kurz? Befürchtete man, dass ich diese Vorstellung zu einem mehrstündigen Referat ausweiten würde? Die Kürze spielt in der Schule eine große Rolle. Man möchte nur kurz auf die Toilette, anstatt sich die Zeit zu nehmen, die man benötigt. Schüler sollen kurze Referate halten, obwohl mir nie ein Schüler begegnet ist, der mit seiner Rede nicht mehr aufhören wollte. Kurze Pausen unterbrechen den Unterricht und Schüler müssen meistens nur kurz ins Sekretariat. Ich hingegen begrüße es, wenn manches etwas länger, oder wenigstens lang genug ist.
    Andrea und Eugen freuten sich mit mir, als ich am zweiten Tag noch immer keinen Ärger verursacht hatte und Hänseleien ausgeblieben waren. Diese Freude drückten sie auf ihre ganz persönliche Weise aus. Sie hatten mir eine extragroße Packung Gummibärchen unters Kissen gelegt. In meiner Schultasche fand ich am nächsten Tag ein neues Buch in rotem Papier eingewickelt, das die Aufschrift „Wir sind stolz auf dich!“ trug.Stillschweigendes Wichteln betrieben wir regelmäßig. Auch wenn dies zwar nicht bewirkte, unser von Respekt geprägtes Verhältnis mit Liebe zu erfüllen, fühlte es sich verdammt gut an.
    Es war am dritten Tag an der neuen Schule, als sich mein Leben verändern sollte und mich zum ersten Mal intensive Euphorie erfasste. Im Unterschied zu meiner bisherigen Schulerfahrung stand der Großteil meiner Mitschüler dem Fach Mathematik sehr positiv gegenüber. Viele freuten sich sogar und mir war klar, dass dies am Lehrer liegen musste, da die Inhalte an jedem Gymnasium sich sehr ähnlich waren.
    In der dritten Stunde betrat also dieser Lehrer Kaspar das Klassenzimmer und füllte sofort den Raum spürbar mit seinem Charisma. Er war durchschnittlich groß, etwas zu schwer, trug ein Augenbrauen-Piercing und längere blonde Haare. Optisch gab er nicht all zu viel her. Er steckte in einfachen zu großen Jeans, Sneakers, die nicht zu seinen Falten im Gesicht passten und ein viel zu buntes Hemd. Seine Sachen schleppte er in einem Rücksack und nicht in der üblichen Lederlehrertasche. Seinen schwarzen Mantel hatte er über den Unterarm geworfen und trug ihn so mit sich. Seine selbst gestrickte

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