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Mein Name war Judas

Mein Name war Judas

Titel: Mein Name war Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. K. Stead
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kleine Ansprache.
    Dieses Fest, sagte sie, sei ein neuer Meilenstein (»Mühlstein« fügte mein Vater leise murmelnd hinzu) in der ruhmreichen Regentschaft ihres Gatten, aber leider neige es sich nun dem Ende zu. Sie dankte den Gästen für ihr Kommen, die Segenswünsche und großzügigen Geschenke zum Geburtstag des Fürsten. Dabei erwähnte sie ausdrücklich »unsere römischen Freunde« und insbesondere den Statthalter Galiläas, Pontius Pilatus, und einen seiner Abgesandten, der sich gerade in Tiberias aufhielt. Dann dankte sie dem gottgleichen Tiberius, dessen Namen zu tragen die Stadt die Ehre habe, und versicherte ihn ihres und ihres Gatten höchsten Respekts. Sie hoffe, sagte sie, dass alle Anwesenden von diesem Abend nur in Erinnerung behielten, was erinnerungswürdig sei, und das Unwichtige alsbald vergäßen. Der Fürst betrachte unbedachtes Gerede als wenig hilfreich.
    »Das war wohl eine Warnung an uns alle«, sagte mein Vater. »Dir jetzt davon zu erzählen ist also nicht unriskant. Ich tue es trotzdem, weil ich um deine Sicherheit fürchte. Auf diesem Fest wurde auch über deinen Jesus geredet, und seither habe ich noch mehr von ihm gehört. Er ist in aller Munde. Du musst wissen, dass Herodes ihn überwachen lässt.«
    Ich sagte, das hätten wir schon gemerkt.
    »Herodes ist gefährlich«, fuhr mein Vater fort. »Und unberechenbar, vor allem solange diese Frau das Bett mit ihm teilt. Er kann euch alle vernichten, wenn es ihm in den Sinn kommt. Die Römer würde es kein bisschen interessieren, dieser Jesus ist ihnen völlig gleichgültig.«
    Mein Vater sprach mit mir von Mann zu Mann und warnte mich, ohne sich in mein Leben einzumischen oder mir Befehle zu erteilen. Ich wusste, wie schwer ihm das fallen musste, wie sehr Jesus und seine Leute ihm zuwider waren und wie sehr ihm meine Verbindung zu ihnen missfiel. Der einflussreiche Onkel in Jerusalem würde mir nun keine Türen mehr öffnen, mein Vater schien sich damit abgefunden zu haben. Nun schien es ihm darauf anzukommen, die Liebe seines einzigen Sohnes wiederzugewinnen. Das alles wurde zwar nicht ausgesprochen, aber ich spürte es, und es rührte mich.
    Ich dankte ihm, und wir nahmen uns bei den Händen. Ich bat ihn um Verzeihung dafür, ihn so enttäuscht zu haben. Peinlich berührt sagte er: »Aber natürlich … natürlich.« Dann gab er mir seinen Segen.
    Niemandem, der uns bei dieser äußerlich so gefasst wirkenden Zwiesprache beobachtet hätte, wäre aufgefallen, wie bewegend sie war.
    Als ich abends nach Kapernaum zurückkehrte, saß Jesus auf einer Bank vor der Grotte mit der Wasserquelle und schnitzte an einer Rohrflöte von der Art, wie sein Vater sie früher oft nach dem Abendessen vor dem Haus in Nazareth gespielt hatte. Ich vermutete, dass er mir zürnte, weil ich ohne seine Erlaubnis fortgegangen war, und beeilte mich, ihm die Neuigkeiten mitzuteilen.
    Ich versuchte ihm schonend beizubringen, dass Johannes tot war. Er hörte zu, Schnitzmesser und Schilfrohr in der Hand, ohne daran weiterzuarbeiten. Er vergoss keine Träne, sondern saß ganz still da, ohne etwas zu sagen. Er sah aus, als sei er in Gedanken weit weg beziehungsweise völlig in sich versunken, fast verträumt. Schließlich sagte er: »Lass mich darüber nachdenken. Die Eingebung, was zu tun ist, kommt dann von allein.«
    Er verbrachte den größten Teil der Nacht im Gebet. Am Morgen verkündete er, dass wir uns für eine Weile aus Herodes Antipas’ Machtbereich fernhalten sollten. Noch am selben Tag überquerten wir den See, alle dreizehn, einige davon mit ihren Ehefrauen, sowie Maria Magdalena und sonstige Anhänger. Zebedäus und drei seiner Leute setzten uns mit ihren Booten über.
    An der Stelle, wo unweit von Hippos ein Fluss in den See mündet, gingen wir an Land. Auch hier gab es Jesusanhänger. Mit ihrer Hilfe schlugen wir unser Lager auf, und sie gaben uns zu essen. Es war ein lieblicher Ort mit Oliven- und Feigenbäumen sowie Maulbeerbüschen, die Schatten spendeten. Weiter oben an den Berghängen blühten die Weinreben. Noch heute erinnere ich mich an den Zitrusduft, der frühmorgens die Luft würzte, wenn der graue See langsam grün wurde und die Wolken am östlichen Himmel sich rosa färbten.
    Fünf Tage vergingen hauptsächlich mit Müßiggang. Nur einmal wurde Jesus gebeten, zu einer kleinen Gruppe von Menschen zu predigen, die von unserer Ankunft gehört hatten und in den nahen Dörfern wohnten. Hier vollzog sich durch guten Willen und die

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