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Mein Name war Judas

Mein Name war Judas

Titel: Mein Name war Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. K. Stead
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Nachricht zu überbringen. Es war ein Diener meines Vaters.
    »Euer Vater schickt Euch seinen Segen und bittet Euch, zu ihm zu kommen«, sagte er. »Ich soll Euch sagen, dass er Euch etwas von äußerster Wichtigkeit mitzuteilen hat. Deswegen sollt Ihr Euch sofort auf den Weg machen.«
    Nach Tiberias war es nicht weit, und ich wollte dem Ruf meines Vaters folgen, aber ich wusste nicht, was ich Jesus sagen sollte. Er hatte in letzter Zeit ganz unterschiedlich reagiert, wenn einer von uns die Gemeinschaft eine Zeit lang verlassen musste oder wollte. Mal war er ganz gelassen, wenn einer von uns nach Hause ging, um etwas Dringendes zu erledigen, dann wieder regte er sich fürchterlich darüber auf, wenn einer, wie er sagte, die Familie über unsere Gemeinschaft stellte. Als Thomas kürzlich erfahren hatte, dass sein Vater gestorben war, wollte Jesus ihm nicht erlauben, zur Beerdigung zu gehen. »Du gehörst hierher«, sagte er. »Dein Vater wohnt im Himmel. Lasst die Toten die Toten begraben.«
    Ich fragte Maria Magdalena um Rat. »Belästige ihn jetzt nicht damit«, sagte sie. »Geh einfach, und kehre so bald wie möglich zurück. Ich werde ihm sagen, dass du ihn nicht damit behelligen wolltest, solange er wegen Johannes so in Sorge ist.«
    In dieser Nacht schlief ich schlecht. Zebedäus weckte mich vor Sonnenaufgang, als er zum ersten Fang des Tages aufbrach. Am Mittag erreichte ich das Haus meines Vaters. Wir umarmten uns stumm, weil wir beide keine Worte für unsere Gefühle fanden. Ein Mahl für uns zwei stand schon bereit.
    »Was ich dir zu sagen habe«, begann er, während wir Platz nahmen, »betrifft deinen Lebenswandel. Keine Sorge, es geht nicht um Lob oder Tadel. Vielmehr geht es um deine Sicherheit.«
    In einer Sommernacht
    am See
    hörte ich einst
    Andreas von
    Jesu Taufe sprechen.
    Eine Taube sei
    in hellem Glanz
    erschienen, und
    eine Stimme sprach:
    »Das ist mein
    geliebter Sohn, der
    mir wohlgefällt.«
    Konnte ich es
    glauben? Nein, ich
    war in der Furt, und
    da war keine Taube,
    keine Stimme. Und doch
    war ich verwirrt.
    Nicht weil Gott
    unsere Sprache
    sprach, sondern weil
    Andreas, ein einfacher
    Fischer, derlei
    gewiss nicht erfand.

Kapitel 15
    Mein Vater, so schien es, wurde immer wohlhabender und angesehener. Mit seiner Handelsreise nach Galatien hatte er hohe Gewinne erzielt, und wenn Herodes Antipas in Tiberias war, wurde er zu dessen Palastfesten eingeladen. Er hielt Antipas, wie er mir leise anvertraute, als die Diener den Raum verlassen hatten, für einen fähigen Mann, doch sei er eigenwillig und zügellos. Die Frau seines Halbbruders zu heiraten sei das beste Beispiel dafür. Nun habe Herodias das Sagen im Hause und der Fürst Angst, sie zu verlieren. Um ihr zu gefallen, sei er bereit, die törichsten Dinge zu tun.
    Herodias, so mein Vater, sei eine sehr schöne und betörende Frau. Sie könne sehr großzügig sein, aber auch grausam und gemein. Ihre Eitelkeit mache sie gefährlich. Sie sei schnell beleidigt und wittere in den harmlosesten Äußerungen Kritik, worauf sie dann den Einfluss auf ihren Mann geltend mache, damit dieser den Kritiker hart bestrafe. Als sie aus Machaerus die Nachricht erhielt, Herodes wolle ihr bei seiner Rückkehr etwas Besonderes mitbringen, sei sie hocherfreut gewesen, weil es sich bei diesem Mitbringsel um den Propheten handelte, der so schlecht über sie geredet hatte. Johannes wurde ihr in Ketten vorgeführt und dann vor ihren Füßen in den Staub geworfen.
    Er war in einem Käfig nach Tiberias transportiert worden, der so klein war, dass er selbst im Sitzen den Kopf einziehen musste. Als er sich darüber beschwerte, wurde er aus dem Käfig gezerrt, und er musste den ganzen Weg barfuß gehen, von einem berittenen Soldaten an der Kette gezogen, die mit einem Metallring um seinen Hals befestigt war, und in Fußfesseln, die ihm nur kleine Schritte erlaubten. Wenn er hinfiel, schleifte der Soldat ihn über den staubigen, steinigen Boden. Als er in Tiberias ankam, war er halbtot, völlig verdreckt und von Wunden und Blutergüssen übersät. Dann musste er nackt vor Herodias treten, bevor sie ihn ins Verließ warfen.
    Herodias verlangte seine Hinrichtung, aber Herodes befürchtete einen Aufruhr in der Bevölkerung und widersetzte sich diesem Ansinnen. Damit machte er zunichte, was er durch Johannes’ Festnahme bei seiner Frau erreichen wollte. Ein paar Tage lang bat und bettelte sie, machte hysterische Szenen und bombardierte den Gatten mit ebenso rhetorischen

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