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Mein Name war Judas

Mein Name war Judas

Titel: Mein Name war Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. K. Stead
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Bereitschaft zu teilen die Verwandlung, von der Esra kürzlich als der wundersamen Speisung der Fünftausend berichtet hat: Zunächst hatten wir fast nichts zu essen, doch plötzlich war genug da für alle.
    Die restliche Zeit verbrachten wir damit, Jesus zu dienen, während er Gott diente. Doch der Vater schwieg, und so schwieg auch der Sohn. Manchmal vertrieben er und ich uns die Zeit mit den Wortspielen unserer Kindheit. Wir wetteiferten im Rezitieren der alten Schriften. Wir tauschten Erinnerungen an Andreas aus und sprachen über den Geschichts- und Philosophieunterricht, den er uns erteilt hatte. Ich erinnerte Jesus an die Geschichte von Diogenes und Alexander dem Großen und erzählte ihm, wie peinlich mir sein Lachanfall damals gewesen war.
    Auch jetzt lachte er und sagte: »Ich weiß, dass du dich mir überlegen fühltest.«
    »Aber nicht lange«, wandte ich ein. »Du warst so klug und sahst so gut aus …«
    »Ich sah gut aus?«
    Ich versicherte ihm, dass das der Fall war.
    »Das wusste ich gar nicht«, sagte er. »Wir hatten zu Hause keinen Spiegel.«
    Wir saßen am Seeufer und beobachteten, wie die Brüderpaare Jakobus und Johannes und Petrus und Andreas wetteiferten, wer sein Netz geschickter auswerfen konnte; sie versuchten, etwas für unser Abendessen zu fangen. Mit Zwillen und Steinen zielten wir so gut wie erfolglos in den Weinbergen auf Füchse, und wir schlossen mit einer angebundenen Ziege Freundschaft, indem wir ihren Pflock versetzten, sodass sie an saftigeres Gras herankam. Ich gab ihr den Namen Sündenbock, versicherte ihr aber, dass es nur ein Witz sein sollte und sie nicht für meine Sünden büßen solle. Sie war noch nicht ganz ausgewachsen und teilte, wie viele Halbwüchsige, gern Tritte aus. Wenn einer von uns ihr die Hand an die Stirn drückte, drückte sie dagegen und versuchte, die Stärkere zu sein.
    Wir fischten und badeten im Fluss. Als Jesus und ich eines Abends unter den Olivenbäumen spazieren gingen und uns gegenseitig spielerisch in die Seite boxten, artete es unversehens zu einem Ringkampf wie in unserer Kindheit aus. Es fühlte sich so vertraut an, dass es nichts Bedrohliches hatte, von ihm in den Schwitzkasten genommen zu werden. Es tat weh, aber die körperliche Nähe, die Wärme und der Geruch seines Körpers hatten etwas Tröstliches.
    Wir sangen, einzeln und zusammen, wobei Bartolomäus falsettartig die Oberstimme übernahm. Eines Abends wollte Jesus, dass wir alle ums offene Feuer tanzten – ein Tanz, den er bei den Essenern gelernt hatte. Er brachte uns die Grundschritte bei, dann spielte er auf der Rohrflöte. Es muss ein seltsames Bild gewesen sein, wie wir zwölf, Maria Magdalena und drei, vier andere am Seeufer teils graziös, teils unbeholfen umeinanderwirbelten, vor und zurück tänzelten, die Arme schwenkten, die Köpfe in den Nacken warfen und uns zu Melodien bewegten, die wir in den Dörfern aufgeschnappt hatten und die so klangen, als stammten sie noch aus der Zeit der alten Propheten.
    Es waren glückliche Tage. Ich hoffte, dass Jesus das Schicksal Johannes’ eine Warnung war und er sich wieder auf die harmlosen Lehren besann, die seine Predigten früher beinhaltet hatten. Ich sehnte mich nach dem einfachen Leben der Hundephilosophen zurück, angeführt von unserem Diogenes, der mit Worten und Taten eine nachvollziehbare Moral und das einfache Leben lehrte – ein Leben, in dem man uns mancherorts willkommen hieß, uns Nahrung und Schlafplatz bot, während man uns andernorts vertrieb und spottende Jungen Steine nach uns warfen.
    Wäre Jesus kein so begnadeter Redner gewesen, wäre es vielleicht möglich gewesen, dieses einfache Leben fortzuführen. Doch da seine Redegabe die Menschen auf den Gedanken brachte, er könne der Retter sein, den Israel herbeisehnte und den die alten Propheten angekündigt hatten, konnte er keine unverdächtigen Predigten halten und kein einfaches Leben führen. Sein Talent verurteilte ihn zu Ruhm – mit allen Folgen.
    Am Morgen des sechsten Tages kam er mit seltsam entschlossener Miene aus seinem Zelt. Seine Augen waren blutunterlaufen, und ihn umgab eine Aura des Schmerzes, des Leids, ja des Manischen, die ich von seinen stärksten Predigten kannte.
    »Wie viele Wochen sind es noch bis zum Passahfest?«, fragte er.
    Wir waren uns nicht einig und rechneten hin und her, bis wir zu einem Ergebnis kamen.
    »Wir müssen rechtzeitig da sein«, sagte Jesus.
    Ich fragte, wo, obwohl ich die Antwort bereits kannte. Trotzdem hoffte

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