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Mein Name war Judas

Mein Name war Judas

Titel: Mein Name war Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. K. Stead
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hintergehen. Aber angesichts der Wende, die seine Lehre genommen hat …« Aus irgendeinem Grunde sprach er nicht weiter und sagte nur noch: »Nun ja, inzwischen seid ihr große Jungs. Seid bitte trotzdem vorsichtig!« Dann umarmte er mich.
    Auch mein Vater warnte mich. »Es sind gefährliche Zeiten«, sagte er. Doch wann war das anders?
    Am letzten Tag meines Aufenthalts besuchte ich Josef und Maria. Josef war so warmherzig und freundlich wie immer. Maria hingegen schien in mir einen Teil einer Verschwörung zu sehen, bei der es darum ging, ihr den Sohn zu entfremden. Jesus, sagte sie, sei auf einen falschen Weg gelockt worden. Seine großen, von Gott gegebenen Talente – an dieser Stelle kam wieder ihr vieldeutiges Lächeln ins Spiel – seien von Menschen missbraucht worden, die ihren Sinn und Zweck nicht verstünden. Doch er werde sich befreien und zu seinen Wurzeln zurückkehren, dessen sei sie gewiss.
    Ich sagte, bestimmt habe sie recht, und verabschiedete mich. Keinen von beiden habe ich je wiedergesehen.
    Während wir in Richtung Jerusalem zogen und das Passahfest näherrückte, hielt Jesus sich an den Plan, den er am Seeufer verkündet hatte. Das bedeutete, dass jeder von uns stärker als zuvor in die Pflicht genommen war, eigene Predigten zu halten. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass außer Jesus nur drei oder höchstens vier von uns dafür begabt waren. Die anderen stellten sich dieser Aufgabe eher schlecht als recht.
    Dabei klafften Selbstbewusstsein und Stil bisweilen auseinander. Petrus etwa war wortgewandt, aber schüchtern, sodass seine Auftritte stets etwas Verkrampftes hatten. Manchmal konnte er jedoch seine Befangenheit abschütteln und beeindruckte durch Ernsthaftigkeit; dann wieder beunruhigte oder irritierte ihn etwas, und er sprach unkonzentriert, unsicher, undeutlich oder nahezu unhörbar. Sein Bruder Andreas dagegen trat stets würdevoll und seriös auf und erreichte die Zuhörer mit seiner sonoren Stimme. Er machte nie viele Worte, aber er wählte sie mit Bedacht, und die Menschen hörten ihm interessiert zu.
    Bartolomäus war theatralisch. Er liebte lange, verschlungene Sätze und ausufernde Analogien, in denen er selbst stets eine Rolle spielte, sodass seine Predigten hauptsächlich von Geschichten handelten, in denen er und sein »Freund« Jesus etwas Bedeutsames erlebten oder bewerkstelligten.
    Matthäus klang wie ein Bürokrat, dem es hauptsächlich um die Einhaltung von Regeln ging. Er verlangte von seinen Zuhörern öffentliche Glaubensbekenntnisse, und zwar mit der gleichen Unbeugsamkeit, wie er einst Steuern eingetrieben hatte – unverzüglich und rückhaltlos.
    Thomas erlebte ich nur einmal bei dem Versuch, eine Predigt zu halten. Der bloße Anblick der versammelten Menge überwältigte ihn dermaßen, dass er kein Wort herausbekam und Philippus vorschickte.
    Die Brüder Jakobus und Johannes traten gern gemeinsam auf, meist in Tavernen vor kleinen Gruppen von Arbeitern, denen sie Jesus-Anekdoten erzählten. In der Regel war Jakobus der Wortführer, während Johannes für Atmosphäre sorgte, indem er Bemerkungen wie »Stimmt!« oder »Ganz richtig!« einwarf. Gelegentlich kam es zwischen den beiden und ihren Zuhörern zu Schlägereien, wenn die Leute sich nicht nur nicht überzeugen lassen wollten, sondern den Brüdern sogar widersprachen. Sie wussten genau, dass sie nicht handgreiflich werden sollten. Jesus hatte ihnen gesagt, sie müssten es Gott überlassen, die Ungläubigen zu bestrafen. Doch wenn der Wein in Strömen floss, ließen die Brüder schnell die Fäuste sprechen. Sie fanden, Worte reichten nicht aus, um ihre Jesustreue zu beweisen, schließlich dienten sie nicht irgendjemandem, sondern dem Sohn Gottes.
    Einmal hörte ich sie in einer Taverne sagen, Jesus habe nur ihnen erlaubt, dabei zu sein, als er ein kleines Mädchen von den Toten auferweckte. Ich war gekommen, um ihnen mitzuteilen, dass wir schnell aufbrechen wollten, doch jetzt war ich neugierig und hörte mir ihre Geschichte an.
    »Ihr war was auf den Kopf gefallen«, sagte Johannes.
    »Sie war mausetot«, sagte Jakobus. »Und im nächsten Moment stand sie auf und lachte uns an.«
    »Das ist wahr«, sagte Johannes und leerte seinen Becher.
    »Und dann?«, fragten die Zuhörer.
    »Genau«, rief jemand spöttisch von hinten. »Erzählt noch mehr von diesem Quatsch.«
    Glücklicherweise hörten es die Brüder nicht. Stattdessen fing Jakobus an, von dem Tag zu sprechen, als Jesus die Brüder zusammen mit

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