Mein neues Leben als Mensch (German Edition)
man nicht mit einer Botox-Spritze glätten könnte. Aber langweilig ist mir trotzdem manchmal. Ich warte und warte und warte auf die Post. Schließlich halte ich es nicht mehr aus und rufe meinen Chauffeur herbei, damit er mich die fünf Kilometer durch den Park zur Einfahrt bringt, wo unser Briefkasten hängt. Zum Glück war der Briefträger schon da. Was ist denn das? Sara hat offenbar das Nord-Male-Atoll gekauft. Warum erfahre ich davon erst jetzt? Vielleicht sollte es eine Überraschung sein. Trotzdem ärgerlich.
Was soll’s. Ich würde meine Frau niemals verlassen. Allein schon weil ich mich einfach nicht entscheiden könnte, welchen meiner drei Dutzend Sportwagen ich dafür nehmen soll. Reich sein ist wirklich manchmal eine unendliche Qual. Aber das versteht diese Frau von der Presseagentur nicht.
Wer nicht schimpfen darf, muss ganz die Klappe halten
Manchmal fühle ich mich furchtbar einsam in meiner Ehe, so als einziger Mann. Frauen haben solche Probleme kaum, denn sie sind mühelos in der Lage, ihre weiblichen Eigenschaften in einer Lebensgemeinschaft unterzubringen. Sie müssen eigentlich kaum jemals unangebrachte Gewohnheiten unterdrücken oder heimlich austoben. Frauen neigen zum Beispiel nicht dazu, im Auto rumzubrüllen, was ich zumindest früher gerne und häufig tat, sobald mir jemand die Vorfahrt nahm oder zu langsam oder zu schnell oder zu wenig vorausschauend oder nicht elegant genug fuhr. Ich reagierte darauf mit heftigem Unflat, den Sara in den ersten Jahren unserer Beziehung noch ganz lustig fand, aber dann kamen die Kinder, und die krümelten nicht nur die Rücksitze voll, sie lernten auch die Vokabeln, die ich vorne gebrauchte. So ist das nun einmal mit dem Spracherwerb. Wer möchte, dass die Kinder klingen wie Little Lord Fauntleroy, der muss selbst so sprechen. Und nicht wie ich, denn ich beherzige den Grundsatz, wie ein Philosoph zu denken und wie ein Bauer zu reden.
Und so kam es, dass ich eines Tages meine damals dreijährige Tochter aus dem Kindersitz fummelte und diese selig lächelnd zu mir sagte: «Jetz’ mach ma’ hinne, du Tempeltänzer.» Dies hatte ich selbst wenige Momente zuvor in anderem Zusammenhang geäußert, und in meine Freude über die ungeheuerliche Gelehrsamkeit meines Kindes mischte sich die Erkenntnis, dass der Rücksitz Ohren hat.
Nach einem sehr, sehr peinlichen Vorfall im Kindergarten bat mich Sara, ab sofort zurückhaltender mit dem Unvermögen anderer Verkehrsteilnehmer umzugehen. Sie drückte diesen Wunsch allerdings anders aus. Sie sagte: «Himmelherrgottnochmal, würdest du bitte endlich damit aufhören, andere Autofahrer bei jeder Gelegenheit ‹ungebumstes Frattengesicht› zu nennen?» Diesem Verbot vorausgegangen war ein extrem unangenehmes Gespräch mit der Kindergärtnerin. Sie hatte Sara gefragt, woher unser Nick eigentlich diesen Ausdruck hätte. Und nicht nur diesen übrigens, auch andere wie zum Beispiel «Hackfresse», «Arschkrampe», «Klapskalli», «Heckenpenner» und «Heiopei». Sara war schockiert und wurde erst rot und dann wütend, und zwar auf mich. Sie habe überhaupt keine Lust, dort schief angesehen zu werden. Das sei unendlich peinlich und unnötig. Und da hat sie ja auch recht. Ich habe mir daher seit einigen Jahren angewöhnt, nur noch sehr nette Dinge über fremde Verkehrsteilnehmer zu sagen.
Ich sage also: «Ich würde mich freuen, wenn Sie die Abbiegespur nähmen, liebe sehr verehrte gnädige Frau.» Oder ich sage: «Es wäre nun angezeigt, nach rechts zu wechseln, um mir den Überholvorgang zu ermöglichen, oh du Gebieter über den ockerfarbenen Passat.» Oder: «Es ist fein, wie viel Zeit Sie sich zum Ausparken nehmen. Wer nimmt sich heute schon noch Zeit? Sie funkelnder Diamant in der Kiesgrube des Individualverkehrs.» Ich finde, dagegen kann man nichts haben, oder? Und es trägt Früchte. Ich bin stolz darauf, dass meine Kinder seit Jahren nicht mehr wüst fluchen.
Na ja. Gut. Ganz selten vergesse ich mich doch noch, wenn wir mit den Kindern unterwegs sind. Oder ich nehme fälschlich an, dass sie außerhalb der akustischen Kopfhörerwolken, mit denen sie sich einnebeln, sowieso nichts mitkriegen. Das ist natürlich nicht wahr. Ich habe meinen Sohn im Verdacht, gar keine Musik zu hören, sondern uns zu belauschen.
Vor einiger Zeit bekamen wir nämlich Besuch von einem Mann, den ich kaum kenne. Der will etwas Berufliches von mir, worauf ich keine Lust habe, und darüber unterhielt ich mich mit Sara im Auto.
Abends
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