Mein neues Leben als Mensch (German Edition)
klingelte es, und Nick öffnete die Tür. Ich hörte, wie der Mann sich vorstellte und sagte, er sei der Robert und habe eine Verabredung mit dem Papa. Nick bat ihn herein und sagte: «Ich weiß schon, Sie sind der Vollpfosten, der meinem Papa dauernd Mails schreibt, die der gar nicht so schnell löschen kann, wie sie ankommen.»
Der Mann lachte. Später sagte ich ihm vor Scham bebend meine Zusammenarbeit bei seinem Projekt zu. Seitdem schweige ich auf Autofahrten. Meistens.
Angeln mit Antonio
Nick und ich sahen fern. Das machen wir manchmal. Man kann seinem Kind nicht ununterbrochen Business-Chinesisch beibringen. Hin und wieder muss man fernsehen. Wir schauten eine Sendung, in der Menschen auf Dachböden nach wertvollem Plunder suchten wie Schweine nach Trüffeln.
Das ist übrigens kein sehr anständiger Vergleich, denn für die Trüffelsuche werden Säue eingesetzt, die eigentlich nicht nach Trüffeln, sondern nach duftenden Ebern suchen. Der Trüffelgeruch ähnelt nämlich dem des Androstenons, des Sexuallockstoffes des männlichen Schweins. Vergleicht man also Privatsendersklaven, die in Kellern, Schuppen und eben auf Dachböden nach schmiedeeisernen Bügeleisen wühlen mit Trüffelschweinen, so unterstellt man ihnen dabei eigentlich sexuelle Absichten. Und davon war im Fernsehen nichts zu sehen, niemand wollte sich mit einem schmiedeeisernen Bügeleisen paaren. Immerhin fanden die Männer allerhand Zeug, welches sie zum Trödelmarkt schleppten und verhökerten. Wahnsinn, wofür ich alles keine Fernsehgebühren zahle.
Nick brachte die Sendung auf die Idee, unseren eigenen Dachboden zu durchwühlen. Ich ließ ihn gewähren, denn ich weiß, was da oben ist: nichts als Talmi, Steuerunterlagen und Winterklamotten. Nach einer Viertelstunde fiel mein Kind jubelnd die Leiter hinunter und präsentierte seinen Fund: eine prähistorische Angel. Keine Ahnung, von wem die ist, jedenfalls nicht von mir. Wahrscheinlich gehörte sie dem Erbauer des Hauses, in dem wir wohnen. Es ist von 1925, und vermutlich ist die Angel auch von 1925. Nick hatte sie hinter einem Bretterhaufen von 1935 entdeckt. «Können wir angeln gehen?», bettelte er.
Ich kann nicht angeln. Mein Ehrgeiz für die Sportfischerei trägt so winzig kleine Flügelchen, dass sie mich nicht einmal bis zur Haustür tragen. Aber Nicks Gesicht glomm derart Huckleberry-Finn-artig, dass ich mit ihm zu einem nahe gelegenen Weiher ging. Wir fingen nichts, was auch damit zu tun hatte, dass wir keinen richtigen Köder dabeihatten. Ich spießte ein Gänseblümchen an dem Haken auf, wir warfen die Schnur aus und saßen eine ganze Weile herum, bis Nick die Sache zu langweilig wurde und er mich eine Angelniete nannte.
Insgeheim war ich froh darüber. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn tatsächlich ein Rotauge oder so etwas angebissen hätte. Man muss dann den Fisch festhalten und den Haken aus dem Maul operieren. Bin ich Zahnarzt? Eben. Außerdem ist das Tierquälerei.
Abends fragte Nick, was man eigentlich mit einem Fisch anstelle, wenn man einen gefangen habe. Ich erklärte ihm, dass man ihn entweder ins Wasser zurückwerfe oder aufesse, was er extrem aufregend fand. Wenn es bei mir nicht mehr so laufe, könne er ja auf diese Weise den Lebensunterhalt sicherstellen, verkündete er. Ich bezweifelte allerdings, dass wir durch den Verzehr grätenreicher Tümpelfische dem Elend ein Schnippchen schlagen würden, und versteckte die Angel. Nick vergaß das Ding, und ein paar Tage lang war vom Fischen nicht mehr die Rede.
Dann besuchte uns mein Schwiegervater. Antonio Marcipane kommt gerne vorbei, und die Kinder freuen sich immer sehr, denn dann gibt es sofort keine Regeln mehr. Wenn Antonio da ist, herrscht ein dreitägiger Volksfestzustand. Er betrat unser Heim, und nach etwa einer Minute hörte ich ihn rufen: «Was iste der fur ein Angeldingeda?» Er hatte beim Aufhängen seiner Jacke die von mir in der Garderobe verborgene Rute entdeckt. Ein schönes Exemplar sei das, stellte er fest. Und dass er als Jugendlicher nach dem Krieg die Familie quasi im Alleingang mit Fisch versorgt und so durch schwere Zeiten gebracht habe. Nick war außer sich.
Er erzählte, dass es seinem Vater – mir – nicht gelungen sei, mit einem Gänseblümchen einen Fisch zu fangen, und dass der Opa das bestimmt besser könne und dass die Zeiten nun auch schwer seien und ob sie sofort zum Weiher gehen könnten?
Antonio versprach es ihm für den nächsten Tag. Den restlichen Abend
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