Mein Offizier und Gentleman
hatte und sogar das Wort Betrug gefallen war. Dadurch bestätigte sich sein Verdacht, nur wusste Jack immer noch nicht, welcher tiefere Grund dem Streit zugrunde gelegen haben mochte – jedenfalls musste es um mehr als ein Kartenspiel gegangen sein. Vielleicht um eine Person, die David lieb und teuer war? Er hatte an dem Abend seines Todes den Club in Collingwoods Begleitung verlassen – immer noch heftig streitend – und Collingwood mochte durchaus wutentbrannt zur Waffe gegriffen und ihn erschossen haben. Ohne den mysteriösen Briefschreiber wäre Jack immer noch des Glaubens, David sei Straßenräubern zum Opfer gefallen.
Inzwischen war er sich jedoch sicher, dass der Schreiber die Wahrheit sagte. Allerdings muss ich dafür erst noch den Beweis fi nden, überlegte Jack. Er grübelte schon eifrig darüber nach, wie man Collingwood eine Falle stellen könnte.
„Guten Abend, Harcourt, du bist in der Stadt?“, sagte jemand hinter ihm, und als er sich umsah, entdeckte er Marlbeck.
„Ja, ehe ich wieder zurück aufs Land gehe, habe ich ein paar Dinge zu erledigen. Tut mir leid, dass ich mich nicht bei euch gemeldet habe, aber ich war ziemlich beschäftigt.“
„Komm doch nächste Woche zum Dinner“, bat Drew. „Es ist nichts Besonderes, nur ein paar Bekannte – für nächsten Monat plant Marianne allerdings eine große Abendgesellschaft.“
„Danke, ich komme gern“, entgegnete Jack, während er den Blick schweifen ließ. Eine junge Dame, die von mehreren eifrig um ihre Gunst buhlenden Herren umringt war, fesselte seine Aufmerksamkeit. Erst als sie den Kopf in seine Richtung wandte, erkannte er sie. Ungläubig fragte er: „Himmel! Ist das Lucy Horne?“
„Ja. Umwerfend, nicht wahr?“ Drew grinste. „Für diese Verwandlung ist größtenteils Marianne verantwortlich, denn Mrs. Horne betrachtet Lucy immer noch als ihr kleines Mädchen. Nun ist der Schmetterling geschlüpft.“
„Sie ist schön“, sagte Jack. Ihm wurde die Kehle ein wenig eng, als er sah, wie sie mit ihren Verehrern scherzte. Zwar war da immer noch ein Hauch von Schüchternheit, doch das machte sie nur umso charmanter, und ihr helles Lachen wirkte berauschend. „Kaum zu glauben, wie sie sich verändert hat!“ Er konnte die Augen nicht von ihr lassen. Schon vorher hatte er sie bezaubernd gefunden, doch nun war da noch etwas anderes. Lag es an ihrer Selbstsicherheit, oder waren es die neuen Kleider? Auf jeden Fall fand er sie außerordentlich anziehend. „Danke für die Dinnereinladung, Marlbeck“, sagte er. „Ich werde da sein. Vielleicht bleibe ich auch länger in London als vorgesehen.“
„Ich sage Marianne, sie soll dich auf die Gästeliste für die Abendgesellschaft setzen.“ Drew grinste verstohlen. Ihm war Lucys Vorliebe für Harcourt nicht verborgen geblieben, und ihm ge fi el der Gedanke. Natürlich hatte auch er die über Harcourt kursierenden Gerüchte vernommen, betrachtete sie jedoch nicht als Hindernis. Selbst wenn sein Freund ein uneheliches Kind hätte – sagte man nicht, aus geläuterten Lebemännern würden die besten Ehegatten? Und sollte Mrs. Horne nicht zustimmen, musste man sie eben überreden.
Nachdem die beiden Männer sich getrennt hatten, schlenderte Jack gemächlich durch den Saal. Immer wieder wurde er von Freunden und Bekannten angehalten, denn trotz des Klatsches war er so gut angesehen, dass er in der Schusslinie ehrgeiziger Mütter stand. Immerhin besaß er Titel und Vermögen, und diese Umstände konnten einen vergessen machen, dass er möglicherweise in der Vergangenheit über die Stränge geschlagen hatte.
Verärgert bemerkte Jack, dass Sir Frederic Collingwood sich in die Gruppe um Miss Horne einreihte. Diesen Mann immer noch in der Gesellschaft geduldet zu sehen, ergrimmte ihn. Der Bursche war nicht nur ein Lebemann schlimmster Güte, er war ein Betrüger – und ein Mörder, glaubte Jack – in dessen Schlingen er Lucy Horne nicht würde sehen wollen, noch eine andere Dame.
Er schob sich zwischen ein paar der jungen Draufgänger hindurch und trat zu Lucy. „Ist dies nicht unser Tanz?“, fragte er, und ehe sie protestieren konnte, führte er sie auf die Tanz fl äche, gerade als die Kapelle zu einem Walzer aufspielte.
Lucy schaute mit großen Augen zu ihm auf und sagte: „Sie müssen sich täuschen. Den Tanz hatte ich Mr. Bates versprochen.“
„Nein, ich bin mir ganz sicher, er war mir versprochen. Wenn ich mich geirrt habe, werde ich mich natürlich entschuldigen.“
„Es war
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