Mein Offizier und Gentleman
schon.“
„Hunde? Eigentlich gibt es nur den alten Brutus hier, der aber in den Stall gehört“, erklärte er.
„Als ich aus meinem Fenster sah, bemerkte ich eine Frau mit einem Kind, die von zwei Hunden begleitet wurde. Ich dachte, sie wohnen auf dem Gut.“
„Die Hunde gehören nicht hierher“, sagte Jack. „Jedoch überlege ich gerade, mir ein paar anzuschaffen, da ich mich bald hier ständig niederlassen möchte …“
„Also war diese Frau unbefugt hier?“, fragte Lucy.
„Mag sein – ich werde jedenfalls mit dem Verwalter darüber sprechen“, entgegnete er abschließend.
Sein Ton – teils abweisend, teils leicht verärgert – irritierte Lucy ein wenig. „Vielleicht kamen sie ja vom Dorf herüber. Sie waren zu weit weg, als dass ich Genaueres hätte erkennen können. Seien Sie nicht zornig auf die Leute, Jack. Sie waren sicher ganz harmlos.“
„Ich war einfach zu lange fort. Während des Krieges hielt ich es für meine P fl icht, unserem Land zu dienen, aber nun, da das hinter uns liegt, muss ich mich wieder um meine Angelegenheiten kümmern. Offensichtlich habe ich hier einiges schleifen lassen. Das muss sich ändern.“
Er wirkte sehr nachdenklich. Lucy hatte geglaubt, er würde sie küssen, wenn sie erst weit genug vom Haus entfernt waren, doch seine Stimmung war umgeschlagen. Er begann zu erzählen, was er auf dem Besitz ändern und was er im Haus noch erneuern lassen wollte, doch romantisch war das alles nicht. Lucy wunderte sich sehr.
Tief in sich spürte sie die Saat des Zweifels keimen. War es möglich, dass hier irgendwo auf dem Gut Jacks Mätresse samt seinem unehelichen Kind lebte?
Während sie sich zum Dinner umkleidete, kämpfte Lucy gegen diese hartnäckigen wiederkehrenden Gedanken an. Millie, das Hausmädchen, das als ihre Zofe fungierte, half ihr in das neue Abendkleid aus gelber Seide und steckte ihr das Haar zu einer eleganten Frisur auf. Lucy wirkte, mit einem Perlencollier und den dazu passenden Ohrringen geschmückt, sehr elegant, und als sie sich unten den anderen anschloss, sagte Drew: „Lucy, wie damenhaft du heute ausschaust. Und dein Kleid gefällt mir, es steht dir ausgezeichnet.“
Lucy dankte ihm lächelnd, dann wandte sie sich Jack zu, und als sie seinen begehrlichen Blick sah, rann ihr ein erregendes Prickeln den Rücken hinab. Offensichtlich war seine nachmittägliche Bedrücktheit vergangen, was immer sie hervorgerufen haben mochte, deshalb beschloss sie, den Zwischenfall zu vergessen.
In heiterster Stimmung verging das vorzügliche Dinner. Selbst Amelia schien ihre Sorgen verdrängt zu haben. So angeregt waren alle, dass die Herren sich nach dem Mahl nur ganz kurz auf ein Glas Portwein zurückzogen und schon bald wieder zu den Damen zurückkehrten. Erst um halb elf löste sich die kleine Gesellschaft auf.
Nachdem Lucy sich von Millie aus dem Kleid hatte helfen lassen, schickte sie sie zu Bett. Sie setzte sich vor den Frisierspiegel, löste ihre Frisur und bürstete sich, in Grübeln versunken – ihre Schwestern hätten es Tagträume genannt – das Haar.
Schon dieser eine Tag hatte ihr gezeigt, wie angenehm das Leben als Jacks Gattin sein könnte. Wäre nicht dieser nagende Zweifel bezüglich seines unehelichen Kindes und dessen Mutter, würde sie ihm gleich am nächsten Tag andeuten, dass sie bereit war, ihn zu erhören.
Gedankenversunken zog sie ihr Nachtgewand über, schlenderte zum Fenster und schaute in die mondhelle Nacht hinaus. Verblüfft runzelte sie die Stirn, als sie eines Reiters gewahr wurde. Der Mann trabte in Richtung auf den See davon. Irgendwie wusste sie, dass es Jack war, und fragte sich, wohin er wohl wollte. Suchte er zu dieser späten Stunde seine Mätresse auf?
Während sie die Vorhänge schloss und zu Bett ging, dachte sie kummervoll, dass sie gerade noch kurz davor gestanden hatte, Jacks Hand anzunehmen. Was sie jedoch gerade gesehen hatte, ließ sie erneut zweifeln. P fl egte er wirklich die Mutter seines Kindes um diese Uhrzeit zu besuchen? Und wenn er, nachdem sie verheiratet waren, damit fortfahren würde? Ihre Fantasie beschwor bedrückende Bilder herauf.
Das Kind konnte sie akzeptieren, unmöglich jedoch, hinzunehmen, dass seine Mätresse auf dem Besitz lebte. Sollte er wirklich am ersten Tag ihrer Anwesenheit seine Geliebte aufsuchen? Sie konnte es sich nicht vorstellen. Das würde er nicht tun … oder? Er war doch ein Ehrenmann. Wohin war er dann unterwegs? Ihr fi el keine vernünftige Erklärung ein.
Wenn
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