Mein Offizier und Gentleman
fi nden, und wenn ich Staunton nicht nähme, würde sie mein Geheimnis entlarven, mich öffentlich eine Hure nennen, sodass ich mich nie wieder in der Gesellschaft sehen lasen könnte.“
„Wie konnte sie nur so böse und grausam sein!“, rief Lucy empört.
„Eigentlich hatte ich keine Angst vor ihr, weil ich wusste, dass Jack mich in Schutz nehmen würde, aber ich dachte, wenn ich verheiratet wäre, wäre ich sie los; und Staunton war damals so unattraktiv nicht. Ich glaubte, an seiner Seite sei das Leben einfacher als im Haus meiner Stiefmutter.“ Sie schauderte zusammen. „Wie falsch ich ihn eingeschätzt hatte, fand ich heraus, als er in der Hochzeitsnacht feststellte, dass ich keine Jungfrau mehr war. Ich will dir die Einzelheiten ersparen, nur so viel – was er mir antat, zwang mich schließlich, ihm alles zu gestehen. Er sagte, er werde mich töten, wenn ich mein Kind je wiedersähe. Und dann schlug er mich und … und tat mir Gewalt an.“
„Ach, Amelia …“ Lucy standen Tränen in den Augen. „Es tut mir so leid für dich.“
„Aus Angst, was er noch tun würde, konnte ich ihn nicht einmal verlassen. Ich war eher Sklavin als Ehefrau, und er ließ mich nicht ein einziges Mal in Frieden, nicht einmal, als ich sein Kind trug.“ Sie schloss die Lider, unter denen Tränen hervorrannen. „Ich wünschte nur, ich hätte ihn verlassen, ehe er mich schwängerte, denn natürlich liebe ich meine Kinder. Lucy, ich musste zwischen den Kindern wählen! Behielt ich das eine, war das andere für mich verloren!“
„Das ist schrecklich“, sagte Lucy mitfühlend. „Es muss dich innerlich zerrissen haben.“
„Ja, tatsächlich …“ Amelia seufzte schwer. „Dann aber lernte ich jemanden kennen, einen zartfühlenden, freundlichen Mann, der mich liebte wie ich ihn. Sein Name war David Middleton. Er wollte mich von Staunton fortholen, doch ich wusste, wenn ich mit ihm ging, würde mein Mann mir das Kind wegnehmen. Ich war hin und her gerissen, und ich wagte nicht einmal mehr, Anthony zu besuchen. Staunton zwang mich dann, ihn nach Indien zu begleiten. Ich erklärte David, warum ich meinen Gatten nicht verlassen konnte. Und dann … ein paar Monate später … wurde David ermordet.“
„Nein!“ Entsetzt sah Lucy sie an. „Doch nicht von …?“
„Staunton? Nein, dazu hätte er nicht den Mut. Von Jack erfuhr ich, dass David um irgendeines Glücksspiels willen getötet wurde … aber natürlich starb mit ihm meine letzte Hoffnung. Mit seiner Hilfe hätte ich meinem Gatten möglicherweise entkommen können, aber nun …“
„Amelia, es tut mir so leid!“ Jetzt verstand Lucy vieles, das ihr bisher ein Rätsel gewesen waren. „Vertrau mir. Ich werde dein Geheimnis wahren.“
„Danke, Lucy. Ich bin dir wirklich dankbar. Ich weiß, dass ich mich zu meinem Kind bekennen sollte. Stattdessen duldete ich, dass über Jack gelästert wurde; er ertrug, dass die Leute glaubten, das Kind wäre seines … und das war auch dir gegenüber falsch. Ich hätte ihm erlauben müssen, es zumindest dir zu erzählen. Verzeihst du mir?“
„Mach dir um uns keine Gedanken“, entgegnete Lucy. „Dein Kleiner ist ein so reizendes Kind! Wenn Jack ihn adoptieren und in unserem gemeinsamen Heim aufnehme wollte, hätte ich keine Einwände. Natürlich war ich eifersüchtig, als ich Rosa für seine Geliebte hielt, aber …“
„Du liebe Güte! Das hat sie behauptet? Wie lächerlich! Jack muss sofort jemand anders für Anthony fi nden! Ich glaube, man kann ihr nicht mehr trauen.“
„Um meinetwillen muss sie nicht entlassen werden“, widersprach Lucy. „Solange ich diese falschen Vorstellungen hatte, war ich natürlich gekränkt. Jetzt weiß ich ja, wie dumm ich war. Sie kann mich nicht mehr verletzen.“
„Dann sollte sie zumindest noch eine Weile bleiben“, sagte Amelia nachdenklich. „Ich wünschte, ich hätte den Mut, Staunton zu verlassen. Nur fürchte ich, er würde mich zurückholen und mich bestrafen. Ich selbst würde es ertragen, aber wenn er David etwas antäte – oder Anthony! Aus diesem Grund wage ich mich nur selten her.“
„Wenn Jack ihn adoptierte, meinst du, dass dein Gatte dir dann Besuche erlauben würde?“
„Ich weiß nicht … vielleicht, wenn die Leute tatsächlich glaubten, es wäre Jacks Kind … er müsste es offen zugeben.“
„Ich werde mit ihm darüber sprechen“, erklärte Lucy hochherzig, „denn ich glaube, anders kommst du von deinem tyrannischen Mann nicht los.“
„Wie
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