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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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angetan zu haben, Fräulein Drost. Aber verzeihen Sie jetzt die indiskrete Frage: an den eigentlichen Beruf jeder Frau haben Sie nie gedacht?«
    Sie sah mich von unten herauf mit einem schrägen Blick an: »Gehört diese Frage zum Interview, Herr Doktor?«
    »Gewiß, ich glaube sogar, daß sie zu den wichtigsten Fragen gehört. Jedenfalls halte ich es für ziemlich entscheidend, ob die vielen jungen Frauen heutzutage ihrem Beruf aus Neigung nachgehen oder nur, weil sie weniger Gelegenheiten finden, ihrer eigentlichen Bestimmung zu dienen.«
    »Wie Sie sich ausdrücken...!« murmelte sie. »Halten Sie denn die Ehe für die »eigentliche Bestimmung< der Frau?«
    »Sie etwa nicht?«
    »Vielleicht«, entgegnete sie zögernd, »aber um es ganz offen zu sagen, ich bin bis jetzt keinem Mann begegnet, dessentwegen ich das hätte aufgeben mögen, was ich mir in den letzten Jahren geschaffen habe. Finden Sie das sehr egoistisch?«
    »Es geht hier nicht um meine persönlichen Ansichten, Fräulein Drost. Ich bin nur ein ganz bescheidenes Rädchen in einem größeren Getriebe. Was später aus der Mühle als Fertigprodukt herauskommt, wird auch für mich von persönlichem Interesse sein...«
    Sie sah mich wieder schräg von der Seite an.
    »Jedenfalls sind Sie eine junge Dame in sicherer Position«, scherzte ich, »genau das, was in den Heiratsanzeigen Frauen bei ihren künftigen Ehepartnern zu finden wünschen.«
    Zum erstenmal lachte sie. Ein bezauberndes, tiefes Lachen, bei dem ihre Augen unter den dunklen Wimpern aufstrahlten und die Zähne so prachtvoll weiß zwischen den zyklamenroten Lippen aufblitzten, als hätte sie ein besonderes Geheimnis, sie zu pflegen.
    »Sichere Position? Ach, du lieber Gott! Ich will Ihnen verraten, daß mir das Herz Stillstand, als Sie den Laden betraten. Ich bin dem Buchbinder seit vierzehn Tagen hundertsechzig Mark schuldig und weiß im Augenblick nicht, wo ich das Geld hernehmen soll, nachdem ich gerade das Gas und das Licht und die elende Gewerbesteuer bezahlt habe.«
    »Das habe ich Ihnen deutlich angesehen«, grinste ich, »deshalb beeilte ich mich so sehr, mich Ihnen vorzustellen: Wieviel müßte der Mann, der Sie einmal heiraten will, mindestens verdienen? Das Doppelte Ihres eigenen Einkommens? Oder müßte er ein Märchenprinz sein?«
    »Na, hören Sie einmal«, rief sie fast empört, »das Doppelte meines Einkommens wäre doch das mindeste, was überhaupt in Frage käme!«
    Ich muß einigermaßen enttäuscht ausgesehen haben, denn sie fuhr eilig fort: »Was glauben Sie denn eigentlich, was mir am Ende des Monats übrigbleibt? Ich will es Ihnen ganz ehrlich sagen. In den Wintermonaten, wenn die Abende lang sind, bin ich schon auf dreihundert Mark gekommen. Aber fragen Sie mich nicht, was hier im Sommer los ist. Da fangen die Spinnen vor der Ladentür Fliegen in ihren Netzen.«
    »O...!« machte ich bestürzt, denn ich hatte das Geschäft doch für einträglicher gehalten.
    »Na, sehen Sie!« rief Fräulein Drost. »Ich hielte es jedenfalls für einen bodenlosen Leichtsinn von einem Mann, mit solchen Einkünften an die Gründung eines Hausstandes zu denken. Oder sind Sie anderer Ansicht?«
    »Natürlich nicht...«
    »Vergessen Sie dabei aber nicht, daß es mir als Frau überhaupt nichts ausmacht, sechsmal in der Woche zum Mittag Spaghetti und Grießbrei zum Abend zu essen. Setzen Sie das einmal einem Mann vor!«
    »Lieber nicht!« rief ich, und beim Gedanken an den Grießbrei schüttelte es mich leicht ab. »Aber trotzdem, Fräulein Drost, wenn das, was Sie sagen, auch ziemlich einleuchtend klingt, so hört es sich doch so kühl an, daß es mich dabei ein wenig fröstelt. Wo bleibt die Romantik in Ihrem Leben? So verstandeskühl und herzlos, wie Sie sich mit Worten geben, sehen Sie eigentlich nicht aus.«
    »Romantik?« fragte sie und blinzelte mich an, »was meinen Sie damit?«
    »Nun, ich meine damit das Versagen des Verstandes und das bedingungslose Ja — ob er nun arm oder reich, hübsch oder häßlich, gut oder böse, jung oder weniger jung ist — wenn es sich nur um den Richtigen handelt.«
    »Mit einem Wort: Sie meinen die große Liebe?«
    Sie neigte den Kopf ein wenig zur Seite und brach in ein kleines, aber nicht ganz echt klingendes Gelächter aus, wahrscheinlich, um das große Wort, das plötzlich zwischen uns stand, etwas kleiner und harmloser zu machen.
    »Ja, genau das meine ich!«
    »Ihr Forschungs-Institut ist aber schrecklich neugierig«, spöttelte sie, »oder ist es

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