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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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betrachte sie eine der rätselhaften Plastiken unserer modernen Bildhauer, wo man nie recht weiß, was vorne und was hinten sein soll...
    »Ja«, gestand ich zerknirscht, »die ganze Geschichte, mit der ich mich bei Ihnen einführte, war ein glatter Schwindel.«
    In der Pause, die meinem Geständnis folgte, näherte sich ein Liebespaar eng umschlungen unserer Bank. Ich hustete so finster und drohend, daß die beiden es vorzogen, sich ein anderes Plätzchen zu suchen.
    Es war aber inzwischen fast dunkel, und die Äste der Trauerweide hingen wie ein Glasperlenvorhang zwischen uns und der nächsten Laterne. Es war eine ideale Bank für verliebte Leute, und sie schien als ideale Bank bekannt zu sein, denn ich hatte im Verlauf der nächsten Stunde noch mehrmals Gelegenheit, sich nähernde Pärchen durch drohende Laute zu verscheuchen.
    Fräulein Drost blieb nach meinem Geständnis stumm — bedrückend stumm. Es wäre mir bedeutend wohler gewesen, wenn sie irgend etwas gesagt hätte, zum Beispiel, daß sie mir wegen des Schwindels nicht böse sei. Aber sie schwieg beharrlich und erwartete die Fortsetzung meines Berichtes. Aber was gab es da noch viel zu erzählen? In dem Halbdunkel schimmerte die Linie ihres Profils so zärtlich...
    »Nun«, fuhr ich stockend fort, »die Gründe, derentwegen sich Mister Murchison für Sie interessierte, begannen mich eigentlich erst zu beschäftigen, nachdem ich Sie kennengelernt hatte. Sie werden mir zugeben müssen, daß sein Auftrag an sich nichts an sich hatte, was besonders ungewöhnlich war. Eigentlich unruhig wurde ich erst dann, als ich Mister Murchison im Hotel Savoy besuchte, um ihm über das Ergebnis meiner Nachforschungen zu berichten. Die Ungeduld, mit der er mich empfing, die Art seiner Fragen und die deutlich spürbare Erleichterung, als ich ihm erzählte, daß Sie weder verlobt noch sonstwie an einen Mann gebunden seien — das erst machte mich stutzig. Wenn Sie mir einen Vorwurf machen wollen, dann höchstens den, daß ich Ihnen bei meinem zweiten Besuch nicht die Wahrheit gesagt habe, damals, als ich von Ihnen erfuhr, Sie hätten mit Murchison eine Verabredung für den Abend getroffen.«
    Ich konnte ihr schließlich nicht sagen, daß ich mich aus reiner Eifersucht so schauderhaft betragen hatte.
    »Sie werden meine Entschuldigungsgründe nicht gelten lassen«, fuhr ich unsicher fort. »Aber schließlich handelte ich im Auftrag meines Onkels Ferdinand, und Murchison hatte ihm für die Erledigung der Recherchen eine hübsche runde Summe vorgestreckt. So lächerlich und peinlich mir auch die Rolle war, in die ich hineingedrängt wurde, ich fühlte mich vor meinem Onkel doch zu einer gewissen Diskretion verpflichtet. Können Sie das nicht verstehen?«
    »Aber ich mache Ihnen ja gar keinen Vorwurf!« kam es leise aus der Dunkelheit. »Im Gegenteil, ich bin von Herzen froh, daß Murchison an Ihren Onkel Ferdinand geriet, und daß schließlich Sie es waren, der...«
    Sie brach unvermittelt ab und sprach nicht mehr aus, was sie hatte sagen wollen. Und dann sah ich, daß sie den Kopf sinken ließ und die Hände vor die Augen preßte. Und plötzlich spürte ich bestürzt, daß die Bank unter den Stößen eines wilden, lautlosen Schluchzens erbebte, eines Schluchzens, das ihre Schultern und ihren ganzen Körper erschütterte und flackern ließ wie eine Flamme im Wind.
    »Um Himmels willen, Fräulein Drost«, rief ich verwirrt und tastete nach ihrer Schulter, um meine Hand darauf zu legen und sie zu beruhigen, »was haben Sie nur? Warum weinen Sie?«
    Und mit einer Kühnheit, von der ich heute noch nicht weiß, wie sie mir zuflog, löste ich ihre Hände zart und behutsam von ihrem Gesicht und küßte die Handflächen, die naß waren und nach dem Salz ihrer Tränen schmeckten.
    »Bitte, Gertrud, bitte, Liebling, nicht weinen! Es ist ja nichts Schlimmes geschehen. Und jetzt bin ich ja da, um dich vor diesem Menschen zu schützen!«
    Und das wiederholte ich lange, in endlosen Variationen, und redete ihr gut zu und versuchte sie zu trösten und küßte sie und gestand ihr, daß ich sie vom ersten Augenblick an geliebt hätte, und daß ich rasend vor Eifersucht gewesen sei, als sie mir von ihrer Verabredung mit Murchison erzählte, und noch verrückter, als ich sie bei der Aufführung der »Hochzeit des Figaro< im Fürstengarten neben Murchison entdecken mußte.
    Und während ihre Tränen unsere Gesichter näßten, gestand auch sie mir, daß sie mich vom ersten Augenblick an, als ich

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