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Mein perfekter Sommer

Mein perfekter Sommer

Titel: Mein perfekter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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zitternd da und warte darauf, dass meine Körpertemperatur sich normalisiert. Und dann warte ich noch ein bisschen länger. Genauer gesagt, ich drücke mich so lange wie möglich in dem kleinen blau gefliesten Bad herum, bis mir klar wird, dass Susie trotz ihrer freizügigen Neigungen vermutlich Kleidung am Frühstückstisch bevorzugt, und das heißt für mich: zurück zu meinem Koffer. Der in Fionas Zimmer steht.
    Ich nehme mich also zusammen und gehe über den Flur, ich denke sogar dran, an die Tür zu klopfen, falls sie sich gerade umzieht oder so. Zwar hab ich mir noch nie mit jemandem ein Zimmer geteilt, doch nehme ich an, dass eine gute Zimmergenossin immer klopft. Stille, also schleiche ich mich rein und blinzele, weil ich mich auf die gruftähnlichen Sichtverhältnissen einstellen muss. Obwohl es schon nach neun ist, halten dicke lila Vorhänge noch immer jeden Sonnenstrahl fern. Das, die dunkelblaue Farbe an allen Wänden und die zahlreichen trostlosen Emo-Poster sorgen für ein reichlich deprimierendes Ambiente.
    »Äh, Fiona?« Nachdem ich fünf Minuten lang im Dunkeln herumgetastet habe, muss ich es endlich loswerden. »Macht es dir was aus, wenn ich die Vorhänge etwas aufziehe? Ich will mich anziehen und ich kann wirklich nicht …«
    Aus formloser Masse dringt ein Murmeln. Ich lege das als positive Antwort aus.
    »Danke!«, flüstere ich. Mit Licht lässt sich saubere Unterwäsche orten und im Handumdrehen bin ich angezogen und mit Sandalen und meinem Notizbuch bewaffnet. »Susie
macht Pfannkuchen«, sage ich. Fiona zieht sich die Decke über den Kopf. »Okay, dann sehen wir uns später!«
    Leise gehe ich aus dem Zimmer. Das ist mein erster Morgen in Stillwater, die Sonne scheint, und der süße, butterige Duft von Köstlichkeiten weht aus der Küche herüber, aber trotzdem spüre ich so einen Stich in der Brust  – und im Knöchel. Mir fehlt mein Zuhause. Mir fehlt Olivia. Ich dachte, weg zu sein wäre kinderleicht, denn so schnell hatte ich nicht mit Heimweh gerechnet.
    Was meine Eltern wohl machen, in ihren verschiedenen Ecken der Welt? Dad hat mir schon eine SMS geschrieben, eine kurze Zeile über Jetlag und Fleischklöße, aber ich frag mich ständig, ob …
    Nein.
    Sorgfältig vertreibe ich sämtliche Gedanken an die Zukunft aus meinem Kopf und manövriere mich die Treppe runter und an diesem klaffenden Schlund im Flur vorbei. Die Sonne strömt in glühenden Streifen durch die Fenster und Susie singt am anderen Ende des Flurs einen Popsong im Radio mit. Irgendwas an der friedlichen Idylle dieser Szene hilft mir, die tiefe Traurigkeit zu lindern, die in mir aufgewallt ist.
    Ich bin nicht machtlos, rufe ich mir in Erinnerung, und klammere mich an mein wichtigstes Mantra. Schließlich habe ich es bis hierher geschafft, oder etwa nicht? In diese wuchernde Wildnis, zu dem, was ich aus meinem Sommer machen wollte. Und jetzt muss ich nur noch die Tücken von Susies Sanitäranlagen begreifen, ein paar von Fionas dystopischen
Romanen lesen und irgendwie mit den Jungs von Stillwater auskommen.
    Und, wie Rektor Turner nur bestätigen wird, ich bin außergewöhnlich hartnäckig.
     
    Nach einem Stapel Pfannkuchen mit ordentlich echtem kanadischem Ahornsirup (einer der Vorzüge des Lebens nördlich der Grenze, beim anderen  – Bacon  – musste ich leider passen), packe ich eine große Tasche mit Strandsachen und mache mich auf zum See, wo ich in dem herrlich glitzernden Wasser schwimmen gehen will. Aus irgendeinem Grund wollen mich meine Füße aber nicht weiter als bis in den Garten tragen.
    »Alles in Ordnung, Jenna?« Adam sieht mich auf der Veranda sitzen. Er hat Holzdielen von der Ladefläche seines Trucks abgeladen, bleibt aber stehen und erkundigt sich nach meinem Wohlergehen, wobei er sich zerstreut den Bart kratzt.
    Ich tu so, als würde ich mich um meinen Knöchel kümmern, nach dem Sturz ist er immer noch etwas geschwollen. »Oh, jaja, alles bestens.« Ich nicke energisch und werfe mal wieder einen Blick zum dichten Wald auf der anderen Seite des Sandwegs hinüber. Bei Tageslicht wirkt der ziemlich unschuldig, aber wenn ich an letzte Nacht denke und die Angst, die ich im Dunkeln hatte, läuft es mir immer noch eiskalt den Rücken runter.
    Adam folgt meinem Blick. »Kann eine Weile dauern, bis man sich an alles gewöhnt hier draußen. Als Susie kam,
konnte sie wochenlang nicht richtig schlafen  – nachts hört man so viele Geräusche aus dem Wald.«
    »Mir geht’s bestens«,

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