Mein perfekter Sommer
noch nie gesehen, ich bin so an dichten Verkehr und vierspurige Schnellstraßen gewöhnt.
»Du musst mir Bilder schicken«, sagt sie. »Ich will all die Berge sehen und so.«
»Mach ich, aber …«, ich zögere. »Ich hätte das nicht gedacht, aber es könnte ganz schön schwer werden, hier oben das Green-Teen-Zeug am Laufen zu halten.«
»Du bist mitten in der Natur!«
»Ich weiß.« Die Ironie ist mir auch nicht entgangen. »Aber hier fahren alle in so riesigen Pick-ups rum und der Generator läuft pausenlos …«
»Vielleicht ist das ja ein Projekt«, schlägt sie vor. »Mach die Stadt umweltbewusster, während du da bist. Ich weiß doch, dass du auf Herausforderungen stehst.«
Ich lache. »Tu ich nicht!«
»Ach was, tust du doch. Abgesehen davon, was willst du denn sonst machen? Arbeiten kannst du da doch nicht, oder?«
»Nee, ich hab ein Touristenvisum.« Seufzend denke ich an mein College-Sparbuch. Von meinen Eltern bekomme ich Taschengeld – wegen der Schuldgefühle – aber ich hatte vorgehabt, in diesem Sommer meinen gesamten Verdienst zu sparen. »Vielleicht sollte ich das machen«, überlege ich.
»Bis ich wieder abfahre, sind die vielleicht umweltfreundlich! Egal, was läuft bei dir?«
»Wir haben den Job!«, schmettert Olivia.
»In der Kommune? Ist ja toll! Warum hast du das nicht gleich gesagt?«, jubele ich. »Was sollt ihr tun?«
»Saubermachen, kochen, einfache Sachen. Aber ich hab eine Liste über die Workshops, die sie da anbieten und das klingt alles ganz toll.« Sie seufzt glücklich. »Außerdem bin ich dann mal eine Zeit lang von meinen Eltern weg – und mit Cash zusammen!«
»Ah ja, wie kommen sie damit zurecht?«
Sie kichert. »Ich hab ihnen noch nichts von ihm erzählt – ich meine, dass er auch da sein wird.«
»Was hast du gesagt?«
»Du kannst stolz auf mich sein, das war Planung auf Jenna-Niveau! Zuerst hab ich ein paar von den Camp-Broschüren rumliegen lassen, damit sie sich ein Bild machen konnten …«
Ich lehne mich im Fahrersitz zurück und lausche Olivias vertrautem Plaudern, während ich nach der Abzweigung zur Main Street Ausschau halte. Offenbar gibt es nur eine, aber sicher könnte ich sie trotzdem verpassen.
»Und dann musste ich Cashs Freund nur noch dazu bringen, sich als einen der anderen Betreuer auszugeben und …«
»Oh Scheiße!«, kreische ich und steige auf die Bremse. Der Truck bleibt ruckartig stehen. Mit dem Gurt unangenehm eng an der Brust und hechelnder Atmung sitze ich da.
»Jenna? Jenna? Ist dir was passiert?«, schreit Olivia.
Bis ich das Handy neben dem Sitz herausgefischt habe, ist Livvy schon fast durchgedreht. Ich schlucke und starre ungläubig auf das Stück Straße vor mir. »Mir … mir ist nichts passiert. Glaub ich.«
»Was ist denn los, verdammt?«
»Ein Elch«, flüstere ich, schließlich könnte er mich ja hören.
»Was?«
»Da steht ein Elch. Auf der Straße.« Ich blinzele, aber das Ding da vor mir verschwindet nicht, es wedelt nur mit dem Schwanz und schnüffelt am Asphalt. Das ist ja so was von surreal, etwas aus der Nähe zu sehen, das ich sonst nur aus dem Fernsehen oder Zeitschriften kenne.
»Wie toll! Wie sieht er aus?«, keucht Livvy. »Bist du sicher, dass es kein Hirsch ist?«
»Dazu ist er zu hässlich.« Eingehend betrachte ich das Tier und ziehe meine umfangreichen, auf Urlaubspostkarten basierenden Kenntnisse heran. »Vielleicht ist es auch ein mutierter Ziegenbock.« Ich schüttele den Kopf. »Welche Rolle spielt es schon, was es ist? Es ist groß, hat Hörner und steht mitten auf der Straße!«
»Bewegt es sich?«
»Nein. Der steht einfach nur da.« Das Vieh dreht sich um und guckt mich mit großen Augen unter einem Satz gedrehter Schaufeln hervor an. Instinktiv ducke ich mich und verstecke mich hinter dem Armaturenbrett. »Jetzt starrt er mich an! Soll ich aussteigen?«
»Beruhige dich!« Livvy lacht.
»Sehr hilfreich, danke auch«, zische ich. »Aber ich hab nicht so viel Erfahrung im Umgang mit wilden Tieren auf dem Kriegspfad!«
»Wahrscheinlich ist es das Beste, du bleibst, wo du bist.«
Ich ziehe die Hand von der Autotür zurück. »Du hast recht, hier kann er mich nicht erwischen. Oder doch?« Ich drücke den Knopf für die Rundumverriegelung. »Was mach ich jetzt?«
»Fahr einfach um ihn herum.« Sie klingt immer noch belustigt.
»Kann ich nicht«, blaffe ich. »Er steht mitten auf der Straße. Und außerdem, was mach ich, wenn er auf mich losgeht?« Unauffällig luge
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