Mein perfekter Sommer
wiederhole ich verlegen. »Aber … ich glaub, ich bleib heute einfach nur hier. Gewöhn mich ein«, füge ich schnell hinzu.
»Guter Plan.« Er nickt ein wenig. »Vielleicht gelingt es dir ja, Fiona vor Mittag aus ihrem Zimmer zu zerren.«
Ich hab da meine Zweifel, nicke aber trotzdem. »Sicher, kann sein. Also … danke.«
»Ach, gern geschehen.« Er blinzelt, dann scheint er sich zu sammeln. »Dann will ich mal …« Ich nicke und er schultert das Holz und verschwindet im Haus.
Ich atme aus. Die Befangenheit wird sich schon legen, da bin ich mir sicher, aber im Moment ist es seltsam zwischen uns. Er ist wie ein entfernter Verwandter, mit dem ich ganz vertraut tun soll, obwohl er für mich ein Wildfremder ist.
Ein Wildfremder, der mich für ein ängstliches kleines Mädchen hält, das sich vorm Wald fürchtet.
Ich schaue noch ein letztes Mal über den Sandweg und in die Bäume, die grün und sonnengesprenkelt dastehen.
Morgen vielleicht.
Den Vormittag verbringe ich hinten im Garten, wo ich mich in der Hitze ausstrecke und an ein paar Briefen arbeite. Ich habe eine große blaue Mappe mit den Namen all meiner wichtigen Abgeordneten und Regierungsvertreter dabei, und sobald ich etwas freie Zeit habe, arbeite ich mich durch die Liste und schicke Petitionen, die Anliegen der Green
Teens und der Umwelt betreffen. Eine Zeit lang hab ich an alle E-Mails verschickt, aber dann hab ich kapiert, dass die einfach ausgefiltert werden und in einem Irre-Aktivisten-Ordner landen, wo man sie vergisst. Handgeschriebene Briefe scheinen dagegen weitaus mehr Beachtung zu finden.
»Jenna!« Gerade als ich mir überlege, ob ich nicht noch eine Schicht Sonnencreme auftragen soll, ruft Susie.
»Hier draußen!«, rufe ich zurück.
»Oh, hallo.« Von oben bis unten mit Sägemehl bedeckt kommt sie aus dem Haus. »Deine Mom hat angerufen, aber sie hatte es eilig, ich hab also gesagt, du rufst sie später an.«
»Ist alles in Ordnung?«
»Na ja, sie hat gesagt, sie müsse jetzt mit Milicent einkaufen gehen …« Wir verziehen beide das Gesicht. Großmutter kann ziemlich anstrengend sein. Susie bürstet sich den Staub von den Armen. »Wo ich dich jetzt gefunden hab … kann ich dich um einen Gefallen bitten?«
»Klar.« Langsam setze ich mich auf und warte auf einen klareren Kopf.
»Ich brauche einen Haufen Sachen aus dem Laden, aber ich muss auf eine Lieferung warten.« Mit hoffnungsvoller Miene hält Susie eine Liste hoch. »Fährst du für mich los? Dauert auch nicht lange.«
»Kein Problem«, sage ich sofort. Ich muss diese Briefe zur Post bringen und außerdem bin ich Susie was schuldig. Wenn sie nicht wäre, würde ich jetzt durch sämtliche Haushaltsgeschäfte von Orlando geschleift werden. »Habt ihr ein Fahrrad, das ich benutzen kann?«
»Oh, ich glaube, hierfür brauchst du den Pick-up, es sei denn, du kriegst fünf Eimer Farbe in deinen Rucksack!« Sie gibt mir den Zettel, da klingelt das Telefon und sie läuft zurück zum Haus. »Das müsstest du alles im Eisenwarenladen kriegen!«
Ich bin gerade dabei, auf ganzer Linie zu versagen, als mein Handy klingelt. Mit einem Auge auf der Straße taste ich nach meiner Tasche. »Olivia? Ich nehme alles zurück, was ich je über deinen Fahrstil gesagt hab.«
Sie lacht, es ist kaum zu hören, und die Verbindung ist so schlecht, dass es knistert. »Wie meinst du das?«
»Sag mir, wie zum Teufel man das mit der Gangschaltung macht!« Ich hör ein Knirschen aus dem Motor und trete die Kupplung wieder durch. Mit einem Fahrrad hat man solche Probleme nicht, oh nein, nur fünf Gänge und zwei Pedale – und auch keine Abgaswolke.
»Wie läuft es denn da draußen? Bist du schon von wilden Bären angegriffen worden? Wie geht es Susie?« Livvy bombardiert mich mit Fragen. Ich check die Straße ab, alles frei in beiden Richtungen, nicht nötig, rechts ran zu fahren. Ich nehme das Handy in die andere Hand und stelle das Radio leiser.
»Das läuft … so einigermaßen.« Mir wird klar, wie zögerlich sich das anhören muss, deshalb rede ich schnell weiter. »Susie ist klasse, die hat sich hier echt eingewöhnt und Adam wirkt auch ganz nett.«
»Und die Stieftochter?«
»Oje, frag bloß nicht.« Der Pick-up macht einen Satz, als ich ihn in den dritten Gang zwinge. Zum Glück ist kein Mensch in der Nähe, der Zeuge meiner Fahrkünste werden könnte, nichts als eine leere Teerstraße, die dicht von Bäumen gesäumt ist. So eine ruhige Straße hab ich, glaube ich,
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