Mein perfekter Sommer
fünf Minuten freundlicher Unterhaltung, die ich hatte, seit ich in diese Stadt gekommen bin.
Auf der Rückfahrt mache ich mir Sorgen, ich kann nicht anders – und dieses Mal halte ich sorgfältig Ausschau nach herumirrenden Elchen. Meine Patentante ist berüchtigt dafür, sich in neue, aufregende Projekte zu stürzen, ohne den Details allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Aber was passiert denn, wenn die Pension ihre frisch gestrichenen Türen öffnet … und keine Gäste davor stehen?
Ich treffe Susie in einem der Räume im Erdgeschoss an, sie trägt ihren farbbeschmierten Overall und einen schrillen pinken Schal im Haar.
»Alles gefunden?«, fragt sie und kratzt sinnlos mit einem stumpfen Messer auf der Tapete herum.
»Fast.« Ich stelle die erste Kiste ab und wühle darin nach einem neuen blanken Werkzeug. »Damit sollte es leichter gehen.«
»Oh, danke!« Sie macht sich mit dem Schaber ans Werk und hat sofort einen ganzen Streifen abscheuliche orangefarben bedruckte Siebziger-Jahre-Tapete von der Wand abgeschält.
»Willst du mal? Macht Spaß. Wie trockene Haut abpulen nach einem Sonnenbrand, weißt du?«
»Klar.« Ich nehme mir mit ebenso einem Gerät die andere Wand vor. Sie hat recht: Das hat was seltsam Befriedigendes. »Also, die Pension …« Ich reiße ein langes Stück Tapete ab. »Glaubst du, die wird einschlagen?«
»Aber selbstverständlich!« Susie strahlt und wischt sich eine feuchte Haarsträhne aus den Augen. »Die Lage ist perfekt und das Haus hat so viel Potenzial.« Sie sammelt einen großen Haufen Tapete zusammen und stopft sie in einen schwarzen Müllsack. Ich schau mich um. Drüben an der Tür stehen schon drei weitere Säcke, Dosen mit Industriereiniger sind über den ganzen Fußboden verteilt.
»Hast du an die Folgen für die Umwelt gedacht, die all diese Baumaßnahmen mit sich bringen?«, frage ich, als ich einen Moment vom Abreißen Pause mache. »Immerhin könnte der Lärm die wilden Tiere stören und …« Ich spreche nicht weiter, denn plötzlich hab ich eine geniale Idee. »Ooh! Du könntest die ganze Sache umweltfreundlich aufziehen! Mit Sonnenkollektoren und Kompost im Garten und ausschließlich umweltverträglichem Material.« Voller Eifer schaue ich zu ihr rüber. »Ich hab da was über diese neuen Häuser drüben in Long Island gelesen, die total autonom sind, die nutzen nur die Energie, die sie von der Sonne kriegen und die ganze Anlage ist aus ….«
»Boah, Jenna!«, bremst Susie mich lachend.
»Tut mir leid«, sage ich reumütig. »Manchmal geht es mit mir durch. Aber was hältst du von der Idee?« Erwartungsvoll
sehe ich sie an. »Das könnte ein echtes Verkaufsargument sein. Ökotourismus soll ja zu einem ganz großen Ding werden, Leute verreisen, um in Hütten im Regenwald zu wohnen und solche Sachen. Du könntest die kanadische Variante anbieten.«
»Ich glaub, wir haben schon alle Hände voll zu tun, wenn wir dieses Haus überhaupt rechtzeitig fertigkriegen wollen.« Susie geht wieder an die Arbeit.
»Aber das könnte doch echt Anziehungskraft haben. Dieses Blue Ridge Ding verkauft Luxus, da wär so was doch eine wirklich andere Art, die Sache aufzuziehen.« Mir fällt schon etliches ein, was diese Pension zu einem Ökoparadies machen könnte. Das ist genau das, wovon Olivia geredet hat: das perfekte Sommerprojekt für mich!
»Jenna …«
»Und das wäre gar nicht mal so viel Arbeit. Ich meine, nicht so viel Mehrarbeit. Das ist ja alles noch in den Anfängen, ihr könntet leicht neue Pläne machen.« Ich strahle glücklich. Mitzuhelfen wäre eine gute Art, Susie etwas dafür zurückzugeben, dass sie mich aufgenommen hat. Abgesehen davon, könnte ich so den Schaden wieder ausgleichen, den ich mit meinem Flug und diesem ganzen Herumfahren angerichtet habe.
Doch Susie wirkt nicht ganz so begeistert. »Schöne Idee, Süße.« Sie lächelt mich wohlwollend an, wie meine Eltern, wenn ich mal wieder von einer Demo heimkomme. »Aber momentan ist das leider nicht möglich.«
»Warum nicht?« Ich warte gar nicht erst auf die Antwort.
»Ich weiß, das bringt euren Zeitplan durcheinander. Das zahlt sich später aber aus. Und …«
»Jenna.« Sie unterbricht mich wieder, ihr Lächeln entgleist ihr. »Ich versteh deine … Begeisterung ja. Doch ich fürchte, im Moment steht nicht an erster Stelle, hier alles umweltfreundlich zu gestalten. Ich weiß, wie viel dir das bedeutet«, ergänzt sie, »aber ganz ehrlich, wenn wir fertig werden und in unserem
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