Mein perfekter Sommer
bleibt bei ihrem eiskalten Gehabe und mein recht fauler Tagesablauf besteht aus Sonnenbädern und aktiver Unterstützung von Susies Pensionsprojekt. Ganze Nachmittage, an denen ich mich träge zum Lesen in den Schatten der Bäume im Garten lege, vergehen wie im Flug. Adam gräbt ein altes rostiges Fahrrad für mich aus und ich fahre beinahe täglich auf der breiten Sandstraße in die Stadt, hole mir an der Tankstelle ein Wassereis und hänge mit Ethan im Eisenwarenladen ab.
Aber ich kann nicht aufhören an Reeve zu denken.
Das hat an dem Tag angefangen, an dem wir Klettern waren. Irgendwas hat sich getan zwischen uns da oben am Fels, es war, als hätten wir eine Verbindung – und plötzlich bin ich hin und weg. Von null auf totales Schwärmen in zwanzig Minuten. Ist verrückt, ich weiß, als ob ich von einer vorübergehenden Unzurechnungsfähigkeit befallen wäre,
aber ich kann nichts dagegen machen. Ich muss feststellen, dass ich drei Mal das Shirt wechsele, ehe ich aus dem Haus gehe, mich um einen total lässigen Look bemühe und länger am See herumlungere, als ich es normalerweise tun würde – immerhin könnte es ja sein, dass er nach der Arbeit zum Schwimmen vorbeikommt.
Mit Mike, meinem Exfreund, ging mir das nie so, nicht mal als wir noch zusammen waren, aber jetzt kann ich mich nicht zurückhalten. Obwohl ich weiß, dass ich das Ganze aus wenig mehr als ein paar freundlichen Worten konstruiere, bin ich mir mit einem Mal – qualvoll – jeder seiner Bewegungen bewusst.
»Noch Limo?«
Ich zucke zusammen bei Reeves Angebot und stoße einen Stapel DVDs um, der auf den Boden klappert.
»Elegant«, sagt Fiona. Sie liegt platt auf dem Wohnzimmerfußboden der Johnsons und streut sich die Krümel aus einer Kekstüte in den Mund. Unser Kudos-Serien-Marathon nähert sich dem Ende, Grady fläzt auf dem cremefarbenen Teppich und Ethan hat es sich auf einem der geblümten Sessel gemütlich gemacht.
Reeve sitzt mit mir auf dem Sofa.
»Öh, nein danke«, sage ich und beeile mich, den Kram wieder aufzusammeln. »Alles gut.«
Gut ist übertrieben, Totalschaden würde der Wahrheit schon näherkommen. Den ganzen Abend hab ich wie angewurzelt dagesessen und jede meiner Synapsen war auf seinen Körper und das winzige Stück ausgerichtet, an dem
seine Jeans und mein Bein sich berühren. Jedes Mal wenn er sich rührt, weil er nach Snacks oder der Fernbedienung greift, muss ich mich fragen: Kommt er mir absichtlich näher? Hat dieser Stupser überhaupt irgendeine Bedeutung gehabt? Soll das heißen, dass er sich in meiner Nähe wohlfühlt oder dass ihm alles ganz egal ist? Ich glaub, in meinem ganzen Leben hab ich mich noch nie so sehr auf fünf Quadratzentimeter konzentriert.
»Ich möchte gern noch was trinken«, sagt Ethan, ohne den Kopf zu heben. »Und wenn ihr noch ein paar von diesen Brownies auftreiben könntet …« Grady rülpst, um ihn herum auf dem Fußboden liegt schon jede Menge Junkfood-Müll herum.
»Arsch hoch, Mann.« Reeve gibt ihm einen Tritt und klettert über die herumliegenden Körper.
»He!«
Als er Richtung Küche verschwindet schaue ich mich um und prüfe, ob auch niemand meine Befangenheit bemerkt hat. Aber sie hängen alle nur schlaff rum, die Blicke glasig von stundenlangem Fernsehen. Ich versuche mich zu entspannen, dehne die Muskeln, die jetzt schon so lange starr und angespannt sind. Bisher hatte ich mir nie klargemacht, wie anstrengend es ist, für einen Typen zu schwärmen, aber diese besonderen Bemühungen um absolute Lässigkeit in Gegenwart von Reeve machen mich völlig fertig.
»Weißt du, wahrscheinlich sollten wir bald mal gehen«, sage ich zu Fiona, nachdem ich mit einiger Erleichterung
die digitale Anzeige des Fernsehers gesehen habe. »Es ist gleich halb elf.«
»Na und?« Sie zuckt die Achseln.
»Und Susie hat gesagt, bis dahin sollen wir zu Hause sein.« Erst nachdem ich geantwortet habe, geht mir auf, dass meine Begründung sie wahrscheinlich bis zum Morgengrauen hier festhalten wird.
Und selbstverständlich greift Fiona sofort nach der nächsten DVD.
»Fiona«, seufze ich, als Reeve wieder in den Raum schlendert. Ich spreche nicht weiter, bin abgelenkt. Das verwaschene graue T-Shirt sitzt straff über seiner Brust, er lächelt mir ein wenig zu und hält einen Sechserpack Limo hoch.
»Letzte Gelegenheit?«
Ich schüttele den Kopf. Er bricht Dosen aus der Verpackung und wirft sie den Jungs zu, dann lässt er sich neben mich fallen, total entspannt.
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