Mein perfekter Sommer
Irgendwie riecht sie merkwürdig.
Ich gehe wieder in die Küche zurück. Hier hält Olivia Hof über einem Teller Tofu (denn offenbar hat sie sowohl
Weizen als auch Milchprodukten abgeschworen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben) und beschreibt mit großem Gefuchtel das Leben in der großen Wildnis. Im Staat New York.
»Dann erzähl mir mal was über dieses Camp, in dem du warst.« Fiona sitzt mit baumelnden Beinen auf einem Küchenschrank und guckt belustigt. Ich bleib stehen, das interessiert mich nämlich auch.
»Das ist eine Kommune«, berichtigt Olivia. Sie nimmt einen Schluck Wasser. »Obwohl, all das Zeug, das die versprochen hatten, von wegen Gleichheit und Engagement, das war totaler Mist, denn in dem Moment, in dem Cash den Mund aufgemacht und ein paar Veränderungen vorgeschlagen hat, sind die total autoritär mit uns umgesprungen. Faschos.«
»Wo ist Cash überhaupt?«, frage ich.
»Oh, er besucht Freunde. Ist für eine Weile in Deckung gegangen nach der Sache in Chicago. Na egal, einmal jedenfalls wollten wir gerade anfangen zu kochen, und da hat er bemerkt, dass die Linsen kein Bio-Siegel trugen, aber die hatten nicht mal …« Sie bricht ab und schaut an mir vorbei aus dem Fenster. »Was ist denn mit dem Baum da?«
Susie schaut raus. »Ach, die alte Fichte? Die wird nächste Woche gefällt.«
Olivia wirkt tief betroffen. »Ist sie krank?«
»Was? Ach, nein.« Susie nimmt sich eine Handvoll Chips aus der Tüte, über die Fiona sich gerade hermacht. »Aber sie nimmt mindestens drei Gästezimmern das Licht, deshalb
hielten wir es für das Beste, sie aus dem Weg zu schaffen.«
Oliva klappt der Mund auf und sie bekommt diesen indignierten Gesichtsausdruck, der, wie ich inzwischen weiß, nichts Gutes verheißt.
»Soll ich dir nicht die Stadt zeigen, bevor es dunkel wird?«, sage ich schnell, ehe sie einen Vortrag halten kann. »Dabei können wir dann reden, wie du wolltest.«
»Klar!« Olivia springt auf und lässt ihren halb vollen Teller auf dem Tisch stehen. »Dann los!«
Auf matschigen Mountainbikes fahren wir auf der sich dahinschlängelnden Straße Richtung Stadt. Der Himmel färbt sich blassgelb in der Abenddämmerung, es ist ein perfekter Sommerabend und ich habe meine beste Freundin wieder an meiner Seite. Warum bin ich dann so unruhig, als würde es kribbeln unter meiner Haut?
»Wie ich sehe ist Little Miss Sunshine immer noch total die Zicke.« Olivia tritt langsam in die Pedale, sie gewöhnt sich noch an das alte Fahrrad. »Ich weiß gar nicht, wie du die aushalten kannst.«
»Fiona war voll in Ordnung«, verteidige ich sie. »Die ist wirklich zahm geworden.«
»Aha. Na, wenn du meinst.«
Wir kommen an ein paar Häusern vorbei, die vom dichten Unkrautgestrüpp an verdeckt sind. Ich versuche etwas zu finden, worüber wir reden können. Bisher haben mir nie die Worte gefehlt, wenn ich mit ihr zusammen war, aber es
ist so lange her, seit wir das letzte Mal zusammen waren, ich fühl mich irgendwie ganz merkwürdig schüchtern.
»Und was machst du wirklich hier?«, frage ich schließlich und schaue rüber zu ihr. Sie hat sich ein fadenscheiniges graues Tanktop und weite Khakishorts übergezogen und einen Stofffetzen als Stirnband um den Kopf gewickelt. »In einer Woche wären wir wieder zu Hause gewesen, du hättest die weite Reise nicht machen müssen.«
»Hab ich aber.« Sie hört auf zu treten und stützt sich mit einem Fuß auf dem staubigen Boden ab. Ich wende, damit ich ihr ins Gesicht sehen kann. »Ich weiß, ich war in letzter Zeit eine miese Freundin, ich hatte jede Menge zu tun …« Sie lässt den Satz ins Leere laufen, ihr Ton hat etwas Reuiges. »Egal, jedenfalls wollte ich es persönlich wieder gutmachen, damit wir den Rest der Ferien zusammen verbringen können.«
»Du meinst die vier Tage, bis du wieder nach Hause verfrachtet wirst?«
Olivia zieht ein bedauerndes Gesicht. »Tja, vielleicht hab ich das nicht so richtig durchdacht. Aber das ist dein Part, das weißt du doch. Ich bin impulsiv, du planst. Wir geben das perfekte Team ab.«
Abwartend steht sie da – und hoffnungsvoll. Ich werde weich.
»Und du bist wirklich per Anhalter nach Seattle gefahren?«, frage ich.
Sie grinst, ein vertrautes Lächeln, das ich schon tausend Mal gesehen haben muss. »Nun ja, irgendwie schon. Eine
Gruppe Demonstranten von der Chicago-Aktion fuhr dahin, da bin ich mitgefahren. Mit acht Leuten haben wir uns in einen VW-Bus gequetscht. Ich schwöre, ich hab
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