Mein perfekter Sommer
bisschen schmutziger. Die Leute müssen ihren Lebensunterhalt verdienen, es geht nicht einfach nur darum, in der Gegend rumzusitzen und den Wald anzugucken.« Sie scheint keine Ahnung zu haben, wovon ich rede, aber ich gehe weiter und bleibe erst stehen, bevor ich die Straße überquere. »Ich glaube, Ethan arbeitet heute im Laden.«
»Der Schwule?«
Ich werde panisch.
»Pst!« Ich guck mich um. »Livvy das kannst du nicht sagen. Das darf keiner wissen! Auch das von mir und Reeve nicht!«
»Komm runter.« Sie lacht.
»Das meine ich ernst«, zische ich nervös. »Ich hätte es dir nicht mal erzählen dürfen, aber ich hätte nie gedacht …« Wieder werfe ich einen Blick zum Laden rüber. »Schwörst du, es keiner Menschenseele zu verraten? Nicht mal Ethan?«
Olivia verdreht die Augen. »Beruhige dich! Ich schwör’s hoch und heilig oder sonst was. Nun lass uns gehen, ich will all diese süßen Jungs kennenlernen, von denen du erzählt hast.«
Ohne zu gucken läuft sie über die Straße und mir bleibt nichts anderes übrig, als ihr so schnell wie möglich zu folgen und das Beste zu hoffen.
32. Kapitel
»Und ihr solltet wirklich Solarzellenpaneele installieren lassen, so wie das jetzt eingerichtet ist, könntet ihr nämlich genauso gut einen Schneidbrenner an die Gletscher halten.«
Am nächsten Morgen treffe ich Olivia im vollen Ökopredigermodus an. Sie hat Susie in ihrem Büro in eine Ecke getrieben und klagt lautstark jedes Bauteil der Pension als »verschwenderisch« und »unverantwortlich« an. Sie fuchtelt sogar mit Flugblättern herum, während Susie sich nach einem Fluchtweg umsieht.
»Hey, da bist du ja, Livvy«, sage ich schnell. »Willst du heute mit an den See?«
Susie springt auf. »Ja. Geht! Alle beide«, sagt sie. »Und nehmt Fiona auch gleich mit. Heute Nachmittag kommen die ersten Gäste. Seid aber rechtzeitig zurück, um bei den Vorbereitungen für die Party zu helfen.«
»Was meinst du dazu?«, frage ich Olivia. »Sonne, kühles Wasser, eine Runde Sonnenbaden …«
Sie ist einverstanden. »Okay.« Susie nutzt die Chance, ihr zu entkommen und den Raum fluchtartig zu verlassen,
allerdings nicht so schnell, dass es nicht noch für einen eindeutig genervten Blick in meine Richtung gereicht hätte.
Ich weiß, wie sie sich fühlt.
»Hör mal, ich wollte ja nichts sagen, aber … könntest du nicht ein bisschen leiser treten mit all den Umweltgeschichten«, sage ich Olivia vorsichtig, während wir unsere Handtücher und ein paar Snacks einpacken. Gestern hat sie den halben Abend von unserer Rock-Band-Schlacht damit zugebracht, Grady und Ethan Vorträge über das Nichtvorhandensein eines Recyclingbehälters für unsere Limodosen zu halten und mit Reeve über den Spritverbrauch seines Pick-ups zu streiten. Das Zuhören allein war mir schon peinlich. Hörte sich das bei mir am Anfang wirklich auch so selbstgerecht und herablassend an? Hoffentlich nicht, aber im Gegensatz zu Olivia wusste ich, wann es genug war.
»Warum?« Sie zuckt die Achseln und guckt trotzig. »Sie muss das wissen. Also, ich weiß nicht, wie du es aushalten konntest, dir den ganzen Sommer lang diese fürchterlichen Bauarbeiten anzusehen.«
Ich seufze, belade die Kühltasche mit Getränken und Chips. »Die Pension ist eine gute Sache. Sie wird Leute in die Stadt bringen, das weißt du doch.«
»Aber zu welchem Preis?« Olivia sieht mich missbilligend an. »Ich weiß, sie ist deine Patentante, aber du solltest wirklich mal was dazu sagen.«
»Es geht doch nicht immer bei allem um Leben und Tod, Livvy. Manchmal muss man Kompromisse machen.«
Sie funkelt mich giftig an. »Sag das den Vögeln, die in der Fichte nisten.«
Olivia führt ihren Monolog auf dem ganzen Weg zum See fort. Wie hübsch die Sonnenstrahlen durch die Bäume fallen, entgeht ihr, weil sie sich über das Übel von kohlenstoffstämmigen Brennstoffsystemen ereifert und darüber, dass wir alle in den Fängen gieriger Konzerne krepieren werden. Ich schlendere neben ihr her, schweigend und ganz durcheinander. Jetzt haben wir wieder ein bisschen Zeit miteinander verbracht, trotzdem begreife ich ihre plötzliche Veränderung nicht und all die Wut auf die Welt. Klar, wir waren immer gegen Umwelt verschmutzende Firmen und Politiker und die ganzen anderen üblichen Verdächtigen, aber das hat uns nur angestachelt, umso härter im positiven Sinn weiterzuarbeiten: mehr Leute zu inspirieren und aufzuklären, damit alle gemeinsam zur Lösung der Probleme
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