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Mein russisches Abenteuer

Mein russisches Abenteuer

Titel: Mein russisches Abenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Mühling
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von Anfang an
klar war, dass unsere Begegnung unter keinem guten Stern stand. Ich sah die
schlechten Vorzeichen, aber ich war zu fixiert auf das Ziel meiner Reise, um
sie ernst zu nehmen.
    Das erste Vorzeichen war ein erneuter Anruf von Galina Alexandrowna.
Sie lag im Krankenhaus, mit Bronchitis. Mir fiel das eisige Büro im
Krasnojarsker Literaturmuseum ein, die Atemwolken vor Galinas Mund, ihre
übereinander getragenen Jacken und Schals, die leider nichts genützt hatten.
»Ich kann nicht mitfahren«, sagte sie bedauernd. »Es ist ein Jammer, aber es
geht nicht.«
    Ich wünschte ihr gute Besserung und verabschiedete mich mit einem
unguten Gefühl. Mir war klar, dass meine Reise ohne die Linguistin deutlich
schwieriger werden würde. Für Galina wäre es nicht der erste Besuch bei Agafja
gewesen, und nach allem, was sie erzählt hatte, vertraute ihr die Einsiedlerin.
Ich dagegen war ein Fremder, dazu ein Ausländer. Wie Agafja auf mich reagieren
würde, war schwer einzuschätzen.
    Auch San Sanytsch hatte Agafja nie getroffen. Er kannte, wie sich
kurz nach meiner Ankunft herausstellte, nicht einmal den Teil der Taiga, in dem
sie lebte. Als ich fragte, wie wir den Weg finden würden, sah er mich gekränkt
an. »Vertraust du mir nicht?« Beschwichtigend versicherte ich ihm das
Gegenteil. »Wir müssen nur dem Fluss folgen«, sagte er. »Es ist ganz einfach.«
    Der Fluss aber war immer noch nicht schiffbar. Eine erneute
Schmelzwasserschwemme hatte den Pegel wieder steigen lassen, ein Ende der Flut
war nicht absehbar. Jeden Morgen lief ich mit San Sanytschs Hund, einem
Collie-Mischling namens Tischka, quer durch ein Waldstück zum Flussufer, nur um
festzustellen, dass der Abakan weiter anschwoll. Der Anblick des Hochwassers
war Furcht einflößend. Obwohl der Fluss in Abasa gut zweihundert Meter breit
ist, jagte er mit einer Geschwindigkeit durch die Siedlung, wie ich sie nie bei
einem anderen Fluss gesehen oder auch nur für vorstellbar gehalten hatte.
Riesige Äste schossen stromabwärts, manchmal komplette Bäume, vom Wasser
entwurzelt, entlaubt und bleichgescheuert. Wenn die Strömung sie an Land
schleuderte, zerbarsten sie krachend im Ufergeröll.
    Um die Wartezeit zu überbrücken, stellte mir San Sanytsch ein paar
Freunde vor. Ich lernte Mischa kennen, den Bootsfahrer, der uns zu Agafja
bringen sollte. Er sah aus wie die Karikatur eines sibirischen Muschik ,
eines echten Mannes: grobschlächtig und breit, mit langsamer, gleichgültiger
Mimik und einem rotgeäderten Trinkergesicht. Mischa hatte zwei Leidenschaften:
Er sammelte zaristische Münzen und sexistische Flüche. Letztere verwendete er
mit einer derartigen Frequenz, dass ich seine Sätze selten beim ersten Anlauf
verstand.
    »Jens! ЁБТВОЮМАТЬ ,
dein Schuh, БЛЯДЬ !«
    »Was?«
    » ЁБАННЫЙВРОТ ,
er ist offen, БЛЯДЬ !«
    »Ach so. Danke.«
    » НАХУЙ !«
    Ich lernte San Sanytschs Freund Sergej kennen, den exotischsten
Einwohner von Abasa. Er war Instrumentenbauer. Sein Haus war vollgestopft mit
selbst gemachten Didgeridoos und Schamanentrommeln, die er auf sibirischen
Folklorefestivals verkaufte. Das Geschäft lief gut, Sergej hatte fast genug
Geld gespart, um seinen Lebenstraum zu verwirklichen. Er wollte auswandern.
Abasa war ihm nicht abgelegen genug. Es zog ihn auf eine winzige Insel namens
Sonsorol, gelegen mitten im Pazifik, dreiundzwanzig Einwohner, Sergej wollte
der vierundzwanzigste werden. Bisher kannte er die Insel nur von Bildern, aber
per Internet stand er in Kontakt mit zwei Einwohnerinnen, die seine Umzugspläne
unterstützten. »Die beiden kennen den Inselgouverneur«, sagte Sergej stolz. Ich
wollte einwenden, dass bei dreiundzwanzig Einwohnern vermutlich jeder zweite
mit dem Gouverneur verwandt ist, aber ich verkniff es mir. Sergej meinte es
ernst. Das Visumformular der Pazifikrepublik Palau hatte er schon ausgefüllt. Jetzt
lernte er die Inselsprache. Fasziniert blätterte ich in seinem
russisch-palauischen Grundwörterbuch.
    Mere direi – Babuschka
    Haparu ma hatawahi – Spasibo
    Hoda buou – Do swidanija
     
    Ich lernte Sergejs Bruder Grischa kennen, einen Bohrarbeiter. Er hatte
in den Achtzigerjahren in der Geologensiedlung gearbeitet, deren Besatzung kurz
zuvor die altgläubige Einsiedlerfamilie in der Taiga entdeckt hatte. Agafja und
ihren Vater hatte Grischa mehrmals getroffen. Leider fiel ihm nicht viel zu den
beiden ein. Im Unterschied zu seinem extrovertierten Bruder war er ein
verschlossener,

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