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Mein Sanfter Zwilling

Mein Sanfter Zwilling

Titel: Mein Sanfter Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nino Haratischwili
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unmöglich, solange ich nicht erfahren hatte, was Ivo hier tat.
    Ich beschloss zu warten. Auf ihre Rückkehr zu warten. Alle meine Bitten und Versuche, Ivo dazu zu überreden, mitfahren zu dürfen, waren gescheitert.
    Wir saßen mit einer Flasche Weißwein am Küchentisch. Ivo hatte geduscht, seinen Rucksack gepackt und neben mir Platz genommen.
    – Ich bin in drei Tagen wieder da. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Wir bleiben dort nur einen Tag. Den Rest fahren wir – bei den Straßen – du weißt doch.
    Ich schenkte uns beiden den kalten Wein ein. Ivo legte seine Hand über meine, und wir sagten nichts mehr. Wir tranken und schwiegen. Schwiegen und tranken. Es war dunkel, und die Hitze war durch die Nacht ein wenig erträglicher geworden. Ich hörte die Grillen und wollte etwas sagen, aber ich merkte, dass meine Sprache versagte. Ich schwieg.
    In der Nacht hielt ich ihn fest und küsste seinen Körper. In der Nacht wollte ich nicht von der blassen Frau im Brautkleid träumen, in der Nacht wollte ich nicht einmal vom Meer träumen. Zum ersten Mal schlief ich mit Ivo, ohne dass etwas in meinen Körper schnitt, ohne dass es mir wehtat, ohne dass ich mir Schmerz zufügte. Ich liebte ihn sanft, behutsam, fast kindlich.
    So wäre unsere Liebe gewesen, hätten unsere Körper damals schon sprechen können, im Garten, in dem Haus in Hafennähe, so wären wir als Kinder gewesen, aneinandergepresst, uns ertastend, erforschend, niemals bereit, einander wehzutun. So wäre unsere Nähe gewesen in seinem kleinen Zimmer, an der linken Seite des Flurs, an dessen Ende sich unsere Eltern auszogen, aneinander saugten und wie Tiere ihre Wunden leckten. Nichts stand zwischen uns, und nicht einmal der Gedanke an Theo hinderte mich diesmal daran, gänzlich bei Ivo zu sein, wach und klar, als hätte sich in dem Moment die Möglichkeit aufgetan, beide in meinem Leben zusammenzubringen, denn ich glaubte an diese Möglichkeit, ich wollte daran glauben und klammerte mich an sie.
    Im Morgengrauen hörte ich ihn herumgehen, doch war ich noch zu müde, um richtig wach zu werden, als wolle mein Körper sein Gehen nicht bewusst erleben. Er beugte sich zu mir herunter, küsste mich sanft auf die Lippen und ging aus der Tür.
    Erst um die Mittagszeit wachte ich auf – durch die Hitze war mein Körper in Schweiß gebadet – und setzte mich in Sekundenschnelle auf. Ich sah mich um, alles schien wie gewohnt, fast schon vertraut. Ich stand auf, duschte. Ich versuchte, mich abzulenken, machte mir Kaffee und ein Spiegelei, schaltete das Radio an, lauschte der fremden Sprache und der allgegenwärtigen Popmusik, die es wohl in alle Äther der Welt schafft. Ich wusch Wäsche von Hand und hängte sie über die Wäscheleine auf der Terrasse.
    Ich schrieb Mark eine Mail, in der ich ihm meine Rückkehr ankündigte. Ich versuchte vergeblich, Tulja zu erreichen. Ich machte mir ein paar Notizen auf dem fast vollgeschriebenen Block. Ich flocht mir die Haare zu einem Zopf. Ich schminkte mich, obwohl es sinnlos war in dieser Hitze. Ich schrieb in Gedanken Theo einen Brief. Ich lag auf Ivos Kissen und roch an ihm. Ich zog sein Hemd an, das ich über das Heizungsrohr gehängt in seinem Zimmer fand. Ich tanzte zu Anita Baker.
    Ich aß ein Stück Brot mit Honig. Ich ging hinunter und kaufte Lucky Strikes. Ich rauchte. Dann wurde es dunkel, und ich saß auf der Terrasse und wartete, bis die Lichter in der Stadt angingen. Ich sah auf den Hof und die lauten Kinder hinunter, die Kreidekästchen auf den Boden gemalt hatten und darin herumhüpften. Ich hörte Songs im Radio, die ich alle kannte.
    Ich fragte mich, wo sie nun waren. Wie lange sie noch fahren mussten. Ich verbot mir die Fragen, ich fand Ivos alten Kaugummi am Schreibtisch klebend und nahm ihn ab und kaute ihn, bis er in meinem Mund zerfiel. Ich starrte meine Füße an. Ich starrte Ivos Hemd an. Ich starrte den Abend an. Und dann sprang ich auf und lief ins Zimmer, das Telefon suchend, dabei alles anstoßend und umstoßend, was mir in den Weg kam. Ich rief Salome an. Die Zigarette in meiner rechten Hand zitterte, und meine Stimme würde gleich versagen.
    – Stella? Wo steckst du? Komm doch vorbei, ich bin irgendwie unruhig. Oder sollen wir vorbeikommen, Buba ist bei seinem Freund. Ich habe Alexej erreicht, und er hat gesagt, dass Ivo sich vor Monaten mit ihm in Verbindung gesetzt habe und dass er sie erwarte. Du siehst, es ist alles okay.
    – Ist Buba …
    – Was ist passiert?
    – Ist er …
    –

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