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Mein Sanfter Zwilling

Mein Sanfter Zwilling

Titel: Mein Sanfter Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nino Haratischwili
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zumindest in nicht gesunder Form verabreicht wurde.
    So weit die Version meines Lebens, die ich später meinem Mann, meinen Freunden und ein paar guten Bekannten anvertraute. Ich habe viel dafür getan, dass man uns zugestand, uns als Familie zu bezeichnen. Den Rest machte ich mit mir aus. Den Rest machte ich mit Ivo aus.
    Er rief an, nachdem ich mir das verheulte Gesicht gewaschen und mir noch eine Tasse Kaffee eingegossen und die Hoffnung aufgegeben hatte, den Tag wie gewohnt in eine gewisse Ordnung zu bekommen und zu überstehen.
    Er erklärte nichts, sagte nur, er werde vorbeikommen, ob ich da sei, ob ich etwas dagegen habe. Er sei in der Stadt unterwegs, da könne er mich doch sehen. Ich antwortete nichts, ich nickte nur stumm. Er versprach, in vierzig Minuten da zu sein.
    Die Zeit, die mir blieb, verbrachte ich in eine Decke eingewickelt auf dem Balkon. Ich schaute auf die Straße hinunter. In der Ferne das Tuten der Schiffe, und das Geräusch wiegte mich in einen traumartigen Zustand. Und endlich hörte mein Kopf auf zu dampfen und zu ächzen. Ich machte mir nicht die Mühe, mich zu schminken, um mir ein Gesicht aufzumalen, das meine Angst überdecken könnte.
    Er kam pünktlich. Ich stand lange an der Tür, bevor ich ihm öffnete, versuchte meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Er trug eine schwarze Lederjacke, sein Haar war wie immer sehr kurz geschoren. Er erschien mir größer als in meiner Erinnerung, und ich fragte mich, ob auch Erwachsene noch weiter wachsen oder ob die Zeit diesen Effekt verursacht. Er lächelte mich an, hielt eine winzige Blume in der Hand; es war ein Schneeglöckchen aus Tuljas Garten – ich musste lachen.
    Wir sagten nichts, er begann wie eine Hyäne in meiner Wohnung herumzuschleichen, begutachtete die Zimmer, blieb vor den Fotos stehen, die auf einem Regal aufgestellt waren. Er betrachtete lange das Bild von Theo und stellte es abrupt wieder hin. Irgendwann setzte er sich an unsere Bartheke und meinte:
    – Die Theke ist ja richtig unspießig!
    Das war der erste Satz, den ich nach fast sieben Jahren von Ivo zu hören bekam. Danach fragte er, ob er etwas zu trinken haben könnte.
    – Gin Tonic, so was wäre toll. In so einer Wohnung habt ihr bestimmt Gin und Tonic, oder?
    – Mark und ich trinken ab und zu Gin, deswegen müsste noch welcher da sein, nicht weil ich denke, dass es in so einer Wohnung Gin geben muss. Und die Bartheke ist völlig in Ordnung!
    – Hey, fühlst du dich etwa angegriffen?
    – Lass das.
    Nachdem ich den Satz ausgesprochen hatte, fühlte ich mich ein wenig sicherer. Und sehr schnell war die Erinnerung wieder da, sehr schnell war diese böse Leichtigkeit zurückgekehrt.
    Ich gab nach, ich gab auf und mixte ihm einen Gin Tonic. Ich musste nicht lange überlegen, ich schenkte auch mir ein Glas ein. Es war ein Uhr mittags.
    Er lächelte und drückte sein Glas an die Lippen.
    – Du bist älter geworden. Aber die kleinen Lachfalten, ich mag sie, und du hast irgendwie dunklere Haare bekommen. Ich find übrigens deine Wohnung nicht schlecht. Aber schon seltsam, dass du jetzt so lebst. Wie auch immer, Tulja scheint ja sehr angetan von deinem Mann, das ist doch ein gutes Zeichen.
    Tulja musste das Blaue vom Himmel gelogen haben, denn sie hielt Mark für einen Langweiler und hatte mir sogar zuerst Hausverbot angedroht, als ich ihr verkündet hatte, ihn zu heiraten.
    – Ist das so, stöhnte ich und trank einen Schluck. Die wärmende, leicht benebelnde Wirkung des mittäglichen Alkohols machte mich endgültig frei von mir selbst.
    – Ich bin froh, dich zu sehen. Du siehst wunderschön aus. So wie ich mir immer vorgestellt habe, dass du mit Mitte dreißig aussiehst. Du bist wirklich eine, die spät erblüht. Deine besten Jahre werden noch kommen!
    – Ivo, was redest du da für einen Unsinn! Es ist eine Frechheit, dass du hier plötzlich so einfach auftauchst. Wo warst du so lange? Warum hast du mir nie geantwortet, warum hast du …
    – Das war unser Deal.
    – Scheiß auf den Deal. Ich hatte Angst um dich. Ich …
    – Frank hat immer gewusst, wo ich mich aufhielt. Tulja wusste auch Bescheid, daher. Und Gesi hat dir bestimmt jede Woche etwas von mir erzählt.
    – Du weißt genau, was ich meine. Du glaubst doch nicht, dass ich jemanden nach dir frage, wo du lebst oder auf welchem Kontinent du dich gerade aufhältst!
    – Du hast es so gewollt, Stella. Also mach mir keine Vorwürfe. Du hast es so beschlossen.
    – Und warum sitzt du dann hier, wenn ich

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