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Mein Sanfter Zwilling

Mein Sanfter Zwilling

Titel: Mein Sanfter Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nino Haratischwili
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ohne mich anzusehen.
    – Keine Ahnung. Wir müssen nicht darüber reden.
    – Na ja, du hast mich gefragt, daher gehe ich davon aus, dass du auch eine Antwort haben willst.
    – Es war eine Feststellung, eher eine Vermutung, was weiß ich, keine Frage.
    – Was mich betrifft, habe ich nicht die richtige Frau dafür gefunden. Falls du das wissen willst, und mit dir …
    – Ja, mit mir wäre das nicht gegangen. Ich weiß.
    – Das wollte ich nicht sagen. Du musst schon den Mut aufbringen, eine ehrliche Antwort auf eine solche Frage zu bekommen.
    – Ich sagte doch, es war keine Frage …
    – Natürlich willst du eine Antwort! Verdammte Scheiße, Stella! Denkst du, ich hätte mich das noch nie gefragt, denkst du wirklich, ich bin eine Maschine, der alles am Arsch vorbeigeht?
    – Vergiss es und schau wieder auf die Straße!
    – Ich glaube, ich wäre eingegangen, vor lauter Rührung und vor lauter Trauer, wenn du …, sagte er auf einmal, und etwas zog sich in mir zusammen. Ich wandte mich von ihm ab und versteckte mein Gesicht in der Dunkelheit.
    – Ich habe dich damals dafür gehasst, dass du mit irgendeinem Kerl, nur weil er dir die scheiß Sicherheit geboten hat, ein Kind gemacht hast.
    Er verstummte abrupt und parkte den Wagen am Straßenrand. Er hatte Recht: Ich hielt seine Antwort nicht aus.
    Wir waren in einer Wohngegend mit Einfamilienhäusern. Ivo klingelte an einem schwarzen Metalltor. Ich hatte ihn nicht gefragt, wohin wir fuhren. Jemand riss die Metalltür auf. Ein schmaler, hochgewachsener Junge mit dichtem schwarzem Haar und feinen Gesichtszügen. Er trug ein T-Shirt mit einem Union-Jack-Abzeichen und schwarze Jeans. Er fiel Ivo um den Hals und grüßte ihn in einem fast perfekten Deutsch, was mich kurz völlig aus der Fassung brachte.
    – Das ist Stella. Und das ist Buba, Lados Sohn, von dem ich dir erzählt habe, sagte Ivo, und ich reichte dem Jungen die Hand. Stella, sagte er. Nicht: Stella, meine Schwester, nicht: Stella, meine Halbschwester, nicht: Stella, meine Freundin, nicht: Stella, meine Geliebte, nicht: Stella, meine … Der Junge schüttelte verschüchtert meine Hand, und wir folgten ihm durch einen kleinen Garten, in dessen Mitte ein Holzstumpf ragte, der anscheinend als Kartentisch benutzt wurde. Über der offenen Haustür brannte Licht, wir gelangten in einen winzigen Flur und dann in einen großen Raum, gleichzeitig Wohnzimmer und Küche. Ich mochte das Karge an dem Raum, den Steinfußboden und die ungestrichene Decke. Am Herd stand der vollbärtige Mann und kochte, hager und viel größer war er als auf den Fotos in Ivos Mappe. Er lachte laut auf, nahm mich sofort in die Arme und begrüßte mich in hartem, aber korrektem Deutsch.
    Bald wurde der Tisch gedeckt und Wein eingeschenkt.
    Der Junge war unglaublich schön, stellte ich fest. Noch gefangen in seiner Jugend, der krummen Körperhaltung, dem noch spärlichen Bartwuchs, der Schamhaftigkeit, den unkontrollierten Bewegungen und der noch so kindlichen Stimme, die nicht zu seinem restlichen Körper passen wollte. Doch machte all das das Versprechen aus, dass er ein schöner, junger Mann werden würde. Auf eine gewisse Weise erinnerte er mich an Ivo, den Jungen Ivo. Nur waren Bubas Augen ganz anders: Sie waren so dunkel, dass die Iris darin verschwand, und die dichten Augenbrauen ließen seinen Blick stolz erscheinen, gerade. Waren Ivos Augen immer versunken in irgendwas, das keiner sehen und erkennen konnte, hatten die Augen des Jungen schon angefangen, der Welt stolz und direkt ins Angesicht zu blicken und sie herauszufordern.
    Wir setzten uns an den Tisch, und obwohl ich kaum Hunger hatte, aß ich, da der bärtige Mann mich unaufhörlich dazu aufforderte.
    – Ich habe schon so viel von dir gehört, Stella, und nun endlich lerne ich dich kennen, sagte Lado und hob sein Glas. Ivo tat es ihm gleich, und auch ich griff, etwas irritiert von der Begrüßung, zu meinem. Wir stießen an und leerten die Gläser.
    Wir kamen übereilt ins Gespräch. Lado hatte vier Jahre in Berlin gelebt. Wir unterhielten uns über die Verschiedenheit der Kulturen, er erzählte über sein Land, über die politische Situation. Später holte Buba eine Gitarre, und Vater und Sohn stimmten ein Lied an, was mich wieder ein wenig verunsicherte. Ich fragte mich, ob die beiden hier allein lebten, und kam zu dem Schluss, dass es wohl so war. Und schon wieder fragte ich mich, was ich hier zu suchen hatte, warum Ivo mich hierhergeholt hatte.
    Nachts lag ich dann allein

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