Mein Schwein pfeift
wechseln Sie unverzüglich die Reifen aus und führen uns den Wagen innerhalb der nächsten Woche vor. Für die Zahlung der Strafe dürfen Sie sich aber zehn Tage Zeit lassen.«
Fünfzig Euro wollten mir die Säcke abknöpfen. Aber was regte ich mich auf? Den Betrag würde ich Schlemmbach auf die Spesenrechnung setzen.
»Kein Widerspruch? Auf Ihre alten Tage den Biss verloren? Und legen Sie sich in Zukunft nicht mehr so lange in die Sonne. Ich hatte Sie zunächst für Winnetou gehalten«, wieherte Reichert, als ich ins Auto stieg. Ich grüßte ihn à la Effenberg und brauste davon.
Beim Dülmener Kurier lieferte ich den Artikel ab, kassierte das Honorar und besprach mit Jupp den Text für meine Anzeige. Unter einer Fotomontage, auf der Osama bin Laden eine Handgranate in einen Papierkorb steckte, setzten wir den Slogan: »Würde Nannen ermitteln, wäre die Welt sicher. Nannen — die Nummer 1 im Münsterland.« Vielleicht war das etwas abgeschmackt, aber in der Sicherheitsbranche musste man einfach an die Ängste der Bürger appellieren. Ein altes Pressefoto, das mich in trauter Zweisamkeit mit einem von mir überführten Mörder zeigte, rundete das Bild des Stardetektivs ab.
Anschließend stärkte ich mich in einer Pizzeria. Nachdem die Scampi mit Hilfe von drei Gläsern Rotwein gesackt waren, fühlte ich mich rundum wohl. Wenn Kollegen Gründe für ihre Berufswahl nannten, fiel als Erstes der Begriff Freiheit. Man wollte sich nicht der bürgerlichen Konvention des Achtstundentages unterwerfen und der Frühpensionierung entgegenfiebern.
Alles richtig, aber der größte Vorteil lag woanders: Ein Detektiv schien mehr Leben als eine Katze zu besitzen. Es fiel schwer, die auf mich verübten Anschläge zu zählen. Doch was »normale« Berufstätige mit höchster Wahrscheinlichkeit zu einem Umzug auf den städtischen Friedhof gezwungen hätte, konnte einem Schlüssellochspanner wie mir nichts anhaben. Bis auf die gewöhnungsbedürftige Gesichtsfarbe erinnerte nichts mehr an den gestrigen Überfall. Ich hatte auch noch nie gehört, dass ein Detektiv an einer der üblichen Zivilisationskrankheiten wie Herzinfarkt oder Krebs krepiert war. Die meisten soffen, qualmten, aßen BSE-verseuchtes Fleisch und lebten ewig.
Auch wenn ich meine gerade entwickelte Berufsphilosophie nicht besonders ernst nahm, hatte ich dennoch keine Bedenken, die Firma Reisinger heute ein zweites Mal zu beehren.
Die Sonne hatte sich schon auf den Weg zur anderen Erdkugelhälfte gemacht, als ich vor der Lagerhalle der Baustofffirma stand, die sich direkt ans Bürogebäude anschloss. Die blauen Uniformen hatten den Set geräumt, so dass ich ungehindert arbeiten konnte.
Bei der Hunderttausend-Mark-Show, mit der wir damals im Fernsehen belästigt worden waren, musste man zwei Stunden schweißtreibende Spielchen über sich ergehen lassen, um am Ende die Tresortür öffnen zu dürfen. Ich hingegen musste nur einen Dietrich herumdrehen, und schon war ich am Ziel meiner Wünsche. Keine Alarm- oder Selbstschussanlage, keine Minen, wirklich nichts, was dem arbeitswütigen Detektiv den Spaß am Job vermiesen konnte. Die Schätze schienen alle im Büro zu lagern, aber schau mer mal, wie Kaiser Franz zu sagen pflegte.
Einem passionierten Maurer musste bei diesem Anblick das Herz frohlocken. Fliesen, Klinker und Zement, so weit das Auge reichte. Von außen war mir das Gebäude nicht so groß vorgekommen, wie es tatsächlich war. Warum hatte ich nur kein Rasierzeug und Proviant mit auf die Gralssuche genommen?
Nach zehnminütiger Umherirrerei bemerkte ich, dass ich nicht allein war. Frankie und Bruno sondierten das Terrain, beide mit einer Knarre ausstaffiert. Blitzschnell duckte ich mich hinter einen Ziegelstapel, aber zu spät!
»Komm raus, wir brauchen einen dritten Mann zum Skat.«
Der Untersetzte — ich tippte auf Bruno — zerstörte mit einem gezielten Schuss die Neonröhre direkt über mir. Als ich mich vor den von der Decke regnenden Glassplittern retten wollte, stieß ich an den Ziegelhaufen, der mit lautem Getöse den erneuten Beweis für das Gesetz der Schwerkraft lieferte.
Geduckt flüchtete ich die Gasse entlang, begleitet von einer Revolversinphonie. Ein Schuss traf einen Sack zu meiner Rechten und befreite jede Menge grauen Sand aus einem Dasein in Dunkelheit. Ein hastiger Blick auf die Beschriftung verriet, dass ich zufällig auf das Objekt meiner Begierde gestoßen war. Jeglicher Vernunft zum Trotz zog ich meine Zigarettenschachtel aus
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