Mein Schwein pfeift
in den sauren Apfel beißen und heute Nachmittag die Füße hochlegen. Ich ließ den Motor aufheulen und fuhr heimwärts.
10
Gutgelaunt rollte ich auf den Hof meines Kottens. Dann die Ernüchterung: Auf meiner Türmatte trippelte ein Jugendlicher herum, der sich beim Vernehmen des Motorengeräuschs sofort umdrehte und mir zuwinkte. Also nichts mit Füße hochlegen, oder was? Als mein Blick dann auch noch auf die verdreckten Hosenbeine fiel, war meine Laune endgültig im Keller. Zumindest Kevin schlief noch den Schlaf der Unschuldigen. Sollte er auf das Auto aufpassen, während ich mir den Knaben vorknöpfte.
Ich verließ die Karre und nahm den Störenfried in Augenschein. Jeansjacke mit Antiatomkraftaufnähern und weißes Seidenhemd mit dunkelgrüner Krawatte — avantgardistische Kombi.
»Herr Nannen?«, strich er durch seinen kräftigen Rotschopf.
»Haben sie dich im Jugendzentrum rausgeschmissen, oder hat die Bravo fälschlicherweise angekündigt, dass hier eine Bauerndisco stattfindet? Nee, wahrscheinlich willst du mit Supermarktprospekten meinen Briefkasten zumüllen«, knurrte ich ihn an. War zwar ungerecht, aber so war die Welt.
»Verzeihen Sie die Störung«, war er doch merklich eingeschüchtert. »Ich heiße Paul Jansen und bin Schüler des Dülmener Martin-Heidegger-Gymnasiums. In der Jahrgangsstufe zwölf muss jeder ein vierzehntägiges berufliches Praktikum bei einem lokalen Betrieb absolvieren.«
»Ja und?«, wollte ich meine schlechte Laune nicht so schnell aufgeben.
»Wie mir das Arbeitsamt mitgeteilt hat, sind Sie der Inhaber der einzigen Detektei in der Gegend, und Privatdetektiv ist mein Traumberuf.«
Ich musste lachen: »Detektiv lernt man nicht, man ist es. Ich kann keine Klette gebrauchen, die permanent dumme Fragen stellt und mir auf den Sack geht. Außerdem ist der Job gefährlich. Deine Eltern würden mich verklagen, wenn dir etwas zustößt. Vergiss es.«
»Meine Eltern sind einverstanden, das habe ich sogar schriftlich. Ich werde Ihnen auch nicht zur Last fallen, versprochen. Ich habe mich haarklein über Ihr Unternehmen informiert. Phänomenale Erfolge bei der Aufklärung in den Fällen Rudolph, Eckolt und Grutz begründen Ihren Ruf, der weit über die Grenzen des Münsterlands hinausreicht.«
Er zitierte einen Artikel des Dülmener Kuriers, der sich im Sommerloch des einzigen lokalen Detektivs erinnert und dabei leicht übertrieben hatte.
»Du hast gründlich recherchiert, wie ich sehe. Fundierte Nachforschungen sind das A und O für erfolgreiche Detektivarbeit.« Auch ich stand auf Bauchpinseleien.
»Liegt in der Familie, ich bin nämlich der Cousin von Jupp Schrage. Er hat Sie empfohlen.«
Ich konnte es nicht fassen. Zwar hatte ich schon davon gehört, dass auf dem Dorf jeder mit jedem verwandt war, aber dies auch plastisch vor Augen geführt zu bekommen, war schockierend. Doch Verwandtschaft hin oder her, was sollte ich mit dem Knaben anfangen?
Plötzlich kam mir eine Idee: »Vielleicht kann ich dich doch gebrauchen. Du bist dir für keine Arbeit zu schade?« Paul nickte eifrig. »Akzeptiert. Wann kannst du anfangen?«
»Sofort. Geben Sie mir die Chance, meine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.«
Die sollte er haben. Ich veranstaltete eine kostenlose Führung und gab ihm dabei detaillierte Anweisungen, wie das Unkraut zu jäten, die Kaninchen zu füttern und die Ställe zu streichen waren. Schließlich musste ich meiner Verantwortung als Unternehmer nachkom-men und die Jugend von der Straße holen.
»Hat das mit einem Fall zu tun?«, fing er bereits mit der nervenden Fragerei an.
»Tarnung, Jansen, Tarnung. Wir suggerieren unseren Feinden, dass es sich hier um einen stinknormalen Bauernhof und nicht um ein florierendes Detektivbüro handelt.«
»Droht Gefahr?«, konnte Paul mit seiner Aufregung kaum hinterm Berg halten.
»Je besser du arbeitest, desto ungestörter können wir ermitteln. Ich muss mich jetzt um einen Auftrag kümmern, in den ich dich in Kürze ein weihen werde.«
Während mein Azubi sich mit Feuereifer einen Eimer Farbe schnappte, befreite ich Kevin aus dem Auto und begab mich ins Haus, um nach dem Rechten zu sehen.
Den Maxi-Cosi stellte ich auf der Couch ab, dann öffnete ich den Briefkasten. Die Firma Millionärs GmbH teilte mir mit, dass ich eine Million Euro gewonnen hatte. Ich musste nur an einer Bustour in die Nähe von Leipzig teilnehmen, bei der ich als zusätzlichen Leckerbissen Rheuma heilende Lamafelldecken, homöopathische
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