Mein Seelenauftrag
noch nicht verinnerlicht hatte: Ein Ereignis musste nicht zwangsläufig ein bestimmtes Gefühl in mir auslösen . Ram Dass’ Lehrer hatte recht! Dinge, die ich nicht mochte, hatten im Grunde nicht die Macht, negative Gefühle in mir zu wecken. Wenn dem so war, konnten mich allerdings auch die Dinge, die ich mochte, im Grunde nicht glücklich machen. Die Annahme, unsere Gefühle seien die Folge von Dingen, die außerhalb von uns geschehen, ist irreführend und gilt weder für die angenehmen noch die unangenehmen Emotionen. (Damals wurde mir übrigens auch klar, dass sich die Psychologie nur deshalb mit den negativen Gefühlen befasst, weil sich niemand in Therapie begibt, wenn er sein Glück nicht ertragen kann.)
Diese Erkenntnis steht in völligem Widerspruch zur landläufigen Meinung. Nehmen wir etwa an, jemand lebe in einer alles andere als befriedigenden Beziehung. Dieser Mensch könnte aus einem auf dem Ego beruhenden Gefühl persönlicher Weisheit heraus sagen: »Ich möchte nicht in dieser Beziehung bleiben. Sie funktioniert nicht. Eine Besserung ist nur dann möglich, wenn sich mein Partner ändert.«
Wenn Sie ähnliche Schlussfolgerungen aus vielen Herausforderungen in Ihrem Leben ziehen, bringen Sie den heutzutage in unserer Kultur am meisten verbreiteten Mythos zum Ausdruck: Mein ganzes Leben wäre wunderbar, wenn einige Dinge anders liefen. Dass diese Dinge passieren und wie sie passieren, das ist der Grund dafür, dass ich mich ärgere.
Unserer Erregung machen wir in Sätzen wie: »Ich bin verärgert, weil …« Luft. Es folgen einige beliebte Beispiele, die Sie wahrscheinlich schon einmal gehört haben:
• »Ich bin verärgert, weil mir niemand zuhört.«
• »Ich bin verärgert, weil mich niemand versteht.«
• »Ich bin verärgert, weil mein Mann/meine Frau nicht angerufen hat.«
• »Ich bin verärgert, weil ich nicht verheiratet bin.«
• »Ich bin verärgert, weil mir mein Chef eine bestimmte E-Mail geschickt hat.«
• »Ich bin verärgert, weil ich zu wenig verdiene.«
• »Ich bin verärgert, weil die Politiker wenig integer sind.«
• »Ich bin verärgert, weil du einen anderen Gott anbetest als ich.«
Und immer so weiter. Nahezu alle Menschen sind darauf konditioniert, der Welt mit einer »Ich bin verärgert, weil«-Philosophie zu begegnen.
Dieser Ansatz breitet sich wie eine Seuche auf dem Planeten aus und hat erhebliche negative Konsequenzen. Sie können dies gern selbst überprüfen. Sie müssen lediglich an einem beliebigen Tag an einem beliebigen Ort auf der Welt einen beliebigen Nachrichtensender einschalten oder eine große Zeitung lesen. Sie werden unzählige Berichte finden, in denen jemand andere für seinen Ärger verantwortlich macht. Obwohl dies beinahe nicht nachzuvollziehen ist, werden Sie vermutlich nur zu gut wissen, dass manche Menschen sogar bereit sind, sich und andere zu töten, weil sie ihnen die Schuld an ihrer Misere geben.
Inzwischen sind wir sogar soweit, dass das Rechtssystem die Behauptung: »Ich bin verärgert, weil …« mit Riesensummen belohnt. Vor Kurzem lasen wir von einer Frau, die erfolgreich gegen ein Bekleidungsgeschäft geklagt hatte, da man einen kleinen Jungen dort nicht daran gehindert hatte, im Laden herumzulaufen. Die Frau war über ihn gestolpert und hatte sich verletzt. Gegen Ende des Artikels wurde beiläufig erwähnt, dass es sich um ihr eigenes Kind gehandelt habe. Kein Witz.
Damit sind wir beim springenden Punkt. Der Satz: »Ich bin verärgert, weil …« ist Ausdruck einer vollendeten Opferhaltung. Eine solche Einstellung verlagert die Verantwortung für den eigenen emotionalen Zustand nach außen.
Einer unserer absoluten Lieblingscomics zeigt drei schäbig gekleidete Bettler, die in einer Großstadt nebeneinander vor einem Gebäude stehen. Jeder von ihnen hat ein Schild in der Hand. Auf dem ersten steht: Opfer von Kindesmissbrauch. Auf dem zweiten steht: Opfer des miesen Bildungssystems. Auf dem dritten steht: Ergebnis falscher Entscheidungen. Sagt der erste Mann zum zweiten: »Auf die Tour wird er nie zu was kommen.«
Sehen wir uns diese überaus wichtige Dynamik einmal genauer an. Es ist in mancher Hinsicht nämlich sehr verlockend, im Leben die Richtung: »Ich bin verärgert, weil …« einzuschlagen – gerade weil es so logisch scheint und eine beliebte Methode ist, die uns das Gefühl gibt, im Recht zu sein.
Die Dynamik eines inneren Aufruhrs
Wenn Sie jemanden sagen hören: »Ich bin verärgert, weil …«,
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