Mein skandaloeser Viscount
Jahren. Soviel ich weiß, hat ihr eine Zigeunerin diesen Ring geschenkt, der eine große Zauberkraft besitzt. Glauben Sie daran, und Ihre Wünsche werden in Erfüllung gehen.“
Victoria öffnete die Hand und blickte fassungslos auf den schmalen Goldreif. Dann sah sie Remington erneut an. „Sie scherzen.“
„Ich scherze nicht.“
„Sie sind ein erwachsener Mann. Sie glauben doch nicht wirklich an Zauberei, oder?“
„Auch als Erwachsener sollte man sich die Hoffnung bewahren, nur dann kann Magie sich entfalten.“ Er tätschelte ihre Hand, ohne den Blick von Victoria zu lösen. „Stecken Sie den Ring an, flüstern Sie dem Rubin Ihren innigsten Wunsch zu, und er wird in Erfüllung gehen. Das verspreche ich Ihnen.“
Verächtlich lachte sie auf. „Sie wollen mir wohl einen Bären aufbinden. Zauberringe gibt es nur im Märchen.“
Er beugte sich vor und streichelte behutsam ihre Wange. „Woher wollen Sie das wissen?“, raunte er und starrte wie gebannt auf ihren Mund. „Haben Sie schon einmal Ihre geheimsten Wünsche einem Ring zugeflüstert?“
„Nein, aber ich …“ Seine Nähe machte sie beklommen.
Abrupt wich sie zurück, glitt mit bloßen Füßen auf dem nassen Marmor aus. Wenn ihr Vater sie in dieser ungebührlich intimen Situation ertappen würde, wäre die Hölle los.
Im Halbdunkel ergriff sie die Flucht und lief zur geschwungenen Freitreppe. Ihre Hand, mit der sie den Ring umklammerte, zitterte, allerdings nicht vor Kälte.
„Victoria. Bitte. Gehen Sie nicht. Noch nicht. Vielleicht sehe ich Sie erst in zehn Monaten wieder.“ In seiner Stimme schwang ein zärtlich flehender Ton, der sie vor Sehnsucht schmelzen ließ. Eine Sehnsucht, die sie für keinen anderen Mann je verspürt hatte. Und auch nicht verspüren wollte. Nicht nach den schmerzlichen Verlusten, die sie erlitten hatte.
Sie blieb zwar stehen, aber ihr Stolz verbot ihr, sich umzudrehen und sich ihm in die Arme zu werfen wie ein verlassenes Kind.
Er räusperte sich. „Es ist nicht meine Art, Frauen zu verführen, falls Sie das befürchten. Fragen Sie Grayson. Mein Vater war ein vollendeter Gentleman bis zu seinem letzten Atemzug, und seit seinem Tod ehre ich sein Andenken. So sehr, dass ich mir nicht einmal erlaubt habe, eine Frau zu küssen.“
Sie fuhr herum und begegnete seinem Blick. „Sie haben noch nie eine Frau geküsst? In Ihrem Alter?“
„Sagen Sie bitte nicht, Sie haben schon einen Mann geküsst, sonst jage ich mir eine Kugel durch den Kopf.“
Sie unterdrückte ein Lachen, da sie spürte, wie ernst es ihm war, und schüttelte den Kopf. Ihr nasser Zopf klebte an ihrer Schulter. „Natürlich habe ich noch keinen Mann geküsst.“
„Gottlob. Denn ich teile nicht mit anderen.“
Sie schloss ihre Finger fest um den Ring, bis der Stein in ihre Handfläche drückte. „Ich würde mir keine Sorgen um andere Männer machen. Es ist mir nicht einmal erlaubt, mich allein mit einem Mann zu unterhalten, der kein Verwandter ist. Das wissen Sie. Selbst das gilt als höchst …“
Er trat näher. „Als höchst was?“
„Unschicklich.“
Er zog seine dunklen Brauen zusammen. „Ehrliche Absichten können niemals unschicklich sein. Ich schwöre bei meiner Ehre, ich habe noch keiner Frau den Hof gemacht, wie ich Ihnen den Hof mache. Aber das … Sie … wir … wir sind für einander bestimmt. Das fühle ich.“
„Sie fühlen es?“, fragte sie gedehnt. „Du meine Güte. Das kann nicht gut sein. Sie sollten einen Arzt aufsuchen.“
Er starrte sie an. „Ich meine es sehr ernst.“
Sie kicherte. „Ja. Offenkundig etwas zu ernst.“
„Victoria.“ Er kam noch näher und sprach leise weiter: „Ich bin kein Heuchler. Ich vertraue Ihnen lediglich meine tiefsten Gefühle an, die ich schon immer für Sie empfunden habe. Das Schicksal flüstert mir Ihren Namen zu, seit ich Sie zum ersten Mal sah. Ich kann nicht anders. Ich kann Sie nicht gehen lassen, ohne Ihnen meine Liebe zu gestehen. Würde ich das tun, würde ich mein Herz mit Füßen treten.“
Erstaunt blickte Victoria ihn an. Offenbar glaubte er an all diese Lächerlichkeiten, die doch nur in Romanen existierten. Törichte Dinge wie Zauberringe und schicksalhafte ritterliche Minne, die alles besiegte. Grundgütiger, an diesen Unsinn glaubte sie nicht mehr seit sie … dreizehn war. Seit ihre Mutter gestorben war, deren Tod nicht nur das Leben ihres Vaters zerrüttet hatte, sondern auch das ihre. Und als Victor sterben musste, starb auch ihr letzter
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