Mein Sommer nebenan (German Edition)
geht zum Jeep rüber. »Scheiße, Mann«, sagt er zu Cleve, der kurz bestätigend nickt, aber ansonsten schweigt.
Ich laufe zum Sprinkler zurück und setze mich ins Gras. George lässt sich neben mich fallen. »Hast du gewusst, dass Vogelspinnen so groß sind wie deine Hand?«
»Jase hat aber keine Vogelspinne, oder?«
George schenkt mir sein sonnigstes Lächeln. »Nein. Er hatte mal eine, sie hieß Agnes, aber …« – seine Stimme senkt sich zu einem traurigen Flüstern – »die ist gestorben.«
»Ich bin mir sicher, dass sie jetzt im Vogelspinnen-Himmel ist«, versichere ich ihm eilig und schaudere, als ich mir vorstelle, wie es in so einem Himmel aussehen würde.
Der Kombi von Mrs Garrett kommt hinter dem Motorrad zum Stehen und zwei rotgesichtige und zerzauste Kinder klettern heraus, von denen ich annehme, dass es Duff und Andy sind. Ihren Rettungswesten nach zu urteilen, kommen sie gerade vom Segelkurs.
George und Harry, meine treuen Fans, erzählen ihrer Mom begeistert, »was Sailor Moon alles kann«, während Patsy sofort in Tränen ausbricht, anklagend mit dem Finger auf die Brüste ihre Mutter zeigt und »Titi« jammert.
»Tja, das war ihr erstes Wort.« Mrs Garrett nimmt sie mir ab, ohne sich daran zu stören, dass Patsys Badehöschen klatschnass ist. »Bis jetzt habe ich es aber noch nicht in ihr Babytagebuch eingetragen.«
Neuntes Kapitel
O hne Mom und Tracy, die beide ausgegangen sind, ist es abends so still im Haus, dass ich jedes einzelne Geräusch unterscheiden kann. Das Klackern der Eiswürfelmaschine im Kühlschrank. Das Umschalten der Klimaanlage von ei ner Stufe zur anderen. In diese Klangtapete mischt sich schließlich noch ein anderes, ein unerwartetes Geräusch, als ich gegen zehn in meinem Bett liege und darüber nachgrüble, ob ich Mom von der Frau erzählen soll, die ich mit Clay zusammen gesehen habe. Es ist ein rhythmisches Klopfen unterhalb meines Fensters. Ich öffne es, klettere hinaus, schaue nach unten und sehe Jase, der einen Hammer in der Hand hält und irgendetwas an das Blumenspalier nagelt. Er blickt – mit einem Nagel zwischen den Zähnen – zu mir hoch und winkt.
Ich freue mich zwar, ihn zu sehen, aber die Situation ist doch ein bisschen seltsam.
»Was treibst du da?«
»Da ist eine Latte locker.« Er nimmt den Nagel aus dem Mund, positioniert ihn auf einer Querstrebe und fängt wieder an zu hämmern. »Schien mir nicht ganz stabil zu sein.«
»Für mich oder für dich?«
»Sag du’s mir.« Er klopft den Nagel ein und lässt den Hammer neben sich ins Gras fallen, dann klettert er geschickt zu mir aufs Dach und setzt sich neben mich. »Ich hab gehört, dass meine Familie dich ziemlich in Beschlag genommen hat. Tut mir leid.«
»Mir hat’s Spaß gemacht.« Ich rücke ein Stück von ihm weg, weil ich bloß mein Nachthemd anhabe und mir ein bisschen sehr nackt und ungeschützt vorkomme.
»Ich liebe meine Familie über alles, aber ich weiß, dass sie auch ein bisschen …« – er hält inne, als suche er nach dem richtigen Wort – »überwältigend sein kann.«
»Keine Sorge, ich bin nicht so leicht zu überwältigen.«
Jase sieht mich an, lässt den Blick seiner grünen Augen forschend über mein Gesicht wandern. »Nein, das bist du wohl tatsächlich nicht.«
Mich überkommt das Gefühl, dass ich bei ihm sein kann, wer ich will. Dass er mich immer so akzeptieren würde, wie ich bin. Plötzlich nehme ich auf seiner Schulter eine Bewegung wahr.
»Was ist das?«
Jase dreht den Kopf zur Seite. »Oh, du meinst Herbie?« Er nimmt ein pelziges Etwas von seiner Schulter.
»Herbie?«
»Er ist ein Kurzkopfgleitbeutler.« Jase streckt mir die Hand hin, auf der ein Tierchen sitzt, das wie ein Flughörnchen aussieht. Es hat einen langen schwarzen Streifen entlang des Rückens und schwarz umrahmte Augen.
Ich streichle Herbie zögernd.
»Das liebt er. Steht total auf Berührungen.« Jase formt mit der anderen Hand vorsichtig ein Schutzdach, sodass Herbie es sich wie in einem Nest gemütlich machen kann. Er hat raue, kräftige Hände. Es sind die Hände eines Mannes, nicht die eines Jungen, so wie vieles an ihm erwachsener wirkt als bei anderen Gleichaltrigen.
»Bist du so eine Art … Dr. Doolittle oder so?«
»Ich mag Tiere einfach. Und du?«
»Ja, schon. Aber ich habe keinen Privatzoo.«
Er blickt über die Schulter in mein Zimmer und nickt. »Nein, definitiv nicht. Sieht extrem sauber und ordentlich bei dir aus. Ist das immer so?«
Ich habe sofort das
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