Mein Sommer nebenan (German Edition)
ständig bei irgendwelchen Wettbewerben schlagen müssen, um zu beweisen, dass sie stärker sind?«
»Wow«, meint Jase, »du scheinst eine Menge Idioten zu kennen. Ich bin einfach ich, Samantha. Also was ist?«
»Ich bin dabei.«
Vor einem Jahr bin ich aus dem Schwimmteam ausgetreten, weil das Training so zeitintensiv war, dass ich immer öfter mit meinen Hausaufgaben in Rückstand geriet und Mom schließlich ein Machtwort gesprochen hat. Trotzdem schwimme ich, wann immer ich kann. Und ich bin nach wie vor schnell. Jase schlägt mich trotzdem. Zweimal. Beim dritten Mal gewinne ich, immerhin. Danach lassen wir uns einfach auf dem Wasser treiben.
Irgendwann klettert Jase aus dem Becken, nimmt zwei Handtücher aus einem großen Weidenkorb und breitet sie auf dem Rasen aus. Ich lasse mich auf eines fallen und schaue in den Nachthimmel. Die Schwüle fühlt sich an wie eine feuchtwarme Decke.
Jase lässt sich neben mich fallen.
Um ehrlich zu sein, rechne ich schon die ganze Zeit damit, dass er einen Annäherungsversuch startet. Charley Tyler hätte noch schneller versucht, mir mein Oberteil vom Leib zu zerren als Patsy. Aber Jase verschränkt bloß die Arme hinterm Kopf und blickt wie ich in den Himmel. »Was ist das für einer?«, fragt er und zeigt nach oben.
»Was meinst du?«
»Du hast doch erzählt, dass du mal ganz verrückt nach Sternen warst. Sag mir, welcher das ist.«
Ich schaue mit zusammengekniffenen Augen in die Richtung, in die sein Finger zeigt. »Der Drache.«
»Und das?«
»Die Nördliche Krone.«
»Und der darüber?«
»Skorpion.«
»Du bist tatsächlich eine Astrophysikerin. Was ist mit dem da drüben?«
»Der heißt Norma.«
Er fängt an zu prusten. »Echt?«
»Das ist Latein und heißt Winkelmaß. Außerdem kannst du ganz still sein. Du hattest eine Vogelspinne, die Agnes hieß.«
Er rollt sich auf die Seite, um mich anzusehen. »Woher weißt du das?«
»Von George.«
»Klar. George, das kleine Plappermaul.«
»Ich mag George sehr«, sage ich.
Sein Gesicht ist jetzt ganz nah an meinem. Wenn ich den Kopf heben und ihn ein winziges Stück zur Seite neigen würde … Aber das kommt nicht infrage. Ich werde auf keinen Fall den ersten Schritt machen. Das habe ich noch nie gemacht und werde jetzt ganz bestimmt nicht damit anfangen. Stattdessen schaue ich Jase nur weiter an und frage mich mit angehaltenem Atem ob er sich gleich näher zu mir vorbeugen wird. Und dann sehe ich ein Scheinwerferpaar in unsere Einfahrt biegen.
Ich springe auf. »Meine Mutter. Ich muss sofort nach Hause.« Meine Stimme klingt panisch. Mom wirft immer noch einen Blick in mein Zimmer, bevor sie schlafen geht. Ich klettere in Windeseile über die Poolumgrenzung, laufe dann zu unserem Zaun hinüber, versuche mich hochzuziehen, rutsche in der Hektik aber immer wieder ab, bis ich plötzlich Hände um meine Taille spüre, die mich hochheben, sodass ich es schaffe, ein Bein rüberzuschwingen.
»Ganz ruhig, gleich hast du’s geschafft.« Seine Stimme ist leise und beruhigend, als würde er mit einem ängstlichen Tier sprechen. Man merkt, dass er darin Übung hat.
Ich springe auf die andere Seite und laufe auf das Blumenspalier zu.
»Samantha!«
Ich drehe mich um, kann aber nur die obere Hälfte seines Kopfes sehen, der knapp über den Zaun ragt.
»Stolper nicht über den Hammer. Der liegt immer noch im Gras. Und danke für das Wettschwimmen.«
Ich nicke, winke ihm kurz zu und laufe weiter.
Zehntes Kapitel
S amantha?« Tracy kommt aufgeregt in mein Zimmer gerannt. »Wo ist dein dunkelblaues Neckholdertop?«
»In meiner Kommode. Wieso?«, frage ich unschuldig. Tracy ist gerade dabei, für Martha’s Vineyard zu packen – eine halbe Stunde, bevor Flip sie abholt. Typisch. Außerdem betrachtet sie es als ihr Anrecht als Erstgeborene, Anspruch auf alle meine Kleidungsstücke zu erheben, wenn ich sie nicht gerade trage.
»Ich nehm’s mir, ja? Nur für den Sommer – im Herbst kriegst du es wieder, versprochen.« Sie reißt die oberste Kommodenschublade auf und zieht nicht nur das blaue Top heraus, sondern gleich auch noch ein paar weiße Oberteile.
»Als ob ich im Herbst noch was mit Neckholdertops anfangen könnte. Leg die Sachen sofort wieder zurück.«
»Ach, komm schon! Ich brauche noch mehr weiße Shirts. Wir werden bestimmt die ganze Zeit Tennis spielen.«
»Wie ich gehört habe, gibt es heutzutage sogar auf Inseln Klamottenläden.«
Tracy verdreht die Augen, schmeißt die Oberteile wieder in die
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