Mein Traummann die Zicke und ich
Lied, komm und tanz mit deinem Onkel Silas«, sagt er und beginnt sich vor mir zu wiegen.
Pippa wirft ihm einen Blick zu. »Violet und ich unterhalten uns gerade, Silas.«
»Nein, meine Kleine, das tut ihr nicht, weil Violet und ich jetzt eine Runde tanzen.« Er strahlt breit, schwingt noch mehr die Hüften und streckt die Hände nach mir aus.
Ich ergreife die Gelegenheit zur Flucht, die er mir buchstäblich mit offenen Armen anbietet, und lasse mich von ihm hochziehen und mich führen.
»Alles in Ordnung, Violet, meine kleine violette Passionsblume, du siehst aus, als wolltest du Honig, bekommst aber stattdessen die stechende Biene zu spüren?«, erkundigt er sich, während wir über den steinernen Terrassenboden schwofen und dabei versuchen, auf der unebenen Oberfläche nicht zu stolpern.
»Es geht mir gut, danke, Silas.«
»Wie verstehst du dich mit Philippa?«
»Es ist noch zu früh, um dazu etwas sagen zu können. Wir haben noch kaum miteinander gesprochen.«
»Sie kann am Anfang ein bisschen einschüchternd sein«, erklärt er mit einem Blick zurück auf sie.
Sie sieht uns zu.
»Ich weiß«, sage ich spontan und füge dann hastig hinzu: »Ich meine, das kann ich mir vorstellen.«
Wenn er meinen Versprecher mitbekommen hat, dann lässt er es sich nicht anmerken. Er legt nur einen Zahn zu, als die Musik schneller wird, und ändert den Text des Lieds von »Oh Carolina« in »Oh Violetta«, was mich zum Lachen bringt.
Er ist ein so wunderbarer Mann.
Nach dem peinlichen Moment von gestern Morgen hätte ich nicht gedacht, ihm jeweils wieder in die Augen sehen zu können, aber egal was er so sagt und tut, er hat etwas an sich, dass man sich immer sofort wohl mit ihm fühlt. Man weiß bei
ihm einfach, dass er genauso ist, wie er sich gibt, und dass es keine Tricks und Hintertürchen gibt.
Und das sind die Menschen, die ich heutzutage mag.
Und so gebe ich vor, Sollie nicht zu bemerken, der mir Zeichen macht, mich wieder zu ihnen zu gesellen, sondern tanze weiter mit Onkel Silas. Ich bin noch immer der Meinung, dass ich weit besser fahre, wenn ich weiterhin so tue, als wäre nichts gewesen, trotz der offensichtlichen Nachteile, und daher lasse ich mich gern von meinem Lieblingsonkel Silas in Beschlag nehmen.
Den Rest des Abends verbringe ich wie ein Wachhund – aus der Distanz meine Runden drehend. Sie sieht ziemlich oft zu mir rüber, aber ich weiß nicht, ob sie das aus purer Neugier tut oder weil sie sich erinnert. Ich hoffe natürlich, es möge das Erstere sein. Oder sie findet mich total merkwürdig, weil ich immer, wenn sie nur in meine Nähe kommt, wegdrifte, als wären wir zwei gleichpolige Magneten.
Ich schaffe es, diese Taktik bis zum Schlafengehen durchzuhalten, dann bin ich auch völlig erledigt. Es war, wie den ganzen Abend ohne Unterbrechung Fangen zu spielen, und du weißt, wenn sie dich kriegen, endet die Sache tödlich.
In unserem Zimmer werfe ich mich schnurstracks aufs Bett und starre die Decke an, während Sollie im Bad verschwindet.
Ihr zu begegnen war mehr als gruselig, und zu wissen, dass ich sie morgen früh wiedersehen werde und jeden anderen Tag der Woche auch, ist, wie aus einem Alptraum aufzuwachen, nur um festzustellen, dass man gar nicht geträumt hat.
Oje, ich bin wieder zurück in der Schule und habe Bammel vor dem nächsten Tag.
Dann kommt Sollie aus dem Badezimmer zurück. Er ist noch nass von der Dusche und reibt sich das kurze Haar mit einem
Handtuch trocken, und da beschließe ich, Aidans Rat zu befolgen und es einfach auszuspucken.
»Sollie, ich muss mal mit dir … über … Pi… Philly reden.«
Er legt das Handtuch weg und lächelt mich selig an. »Ja, sie ist toll, nicht? Ich bin froh, dass du es ansprichst, ich wollte schon die ganze Zeit mit dir darüber reden, aber ich dachte, ich warte lieber, bis du sie kennengelernt hast … Also, ich wollte dich fragen, ich weiß, es ist ganz und gar deine Entscheidung, aber sie ist meine Schwester, und ich habe mich gefragt, ob du sie vielleicht bitten willst, eine von unseren Brautjungfern zu sein?«
Brautjungfer! Pippa, die Pest, meine Brautjungfer? Ich will ihm sagen, dass Pippa für meine Kindheit war wie der Giftkelch für Romeo und Julia: das schlimme Ende einer Zeit der Qualen. Hass, Enttäuschung, Verwirrung und Bedauern, und er fragt mich, ob ich sie als meine Brautjungfer haben will, eine Schlüsselfigur an einem Tag, der einer der glücklichsten meines romantischen Lebens werden soll?
NEIN!!!!!!!,
Weitere Kostenlose Bücher