Mein Traummann die Zicke und ich
schreit eine Stimme, aber sie ist nur in meinem Kopf.
Ich muss es ihm sagen, aber immer, wenn ich den Mund aufmache, kommt nur heiße Luft raus. Ich dachte, ich könnte ihm alles sagen, aber das hier sitzt in meiner Luftröhre wie ein verschluckter Kaugummi.
Also sagt stattdessen eine Stimme, die irgendwie nicht wirklich meine ist: »Klar, eine super Idee, warum nicht gleich auch Fleur?« Gegen die habe ich wirklich nicht das Geringste, sie ist eine nette, liebe, aufrichtige, anständige Person, und dann lasse ich ihn mich stürmisch küssen, weil er sich so wahnsinnig freut … und weil er nackt ist, ich meine, das kann einen ja schon ablenken, nicht wahr? Ein total heißer, total nackter Mann bittet dich um einen Gefallen. Bittet dich um einen Gefallen,
während er dafür sorgt, dass du auch bald nackt bist, und so sage ich wieder nichts, sondern entspanne mich einfach und lasse die Sorgen mit jedem Kuss weiter von mir abfallen, vergrabe mein Gesicht in seiner Brust wie ein Strauß seinen Kopf im Sand, anstatt mich meinen Ängsten zu stellen.
Kapitel 9
H eute Nacht hatte ich einen Traum.
Oder sagen wir eher einen Alptraum.
Es ist der Tag unserer Hochzeit, und alles ist wunderbar. Die Sonne scheint, die Vöglein singen, und in dem kleinen Dorf in Kent, in dem meine Eltern leben, läuten die Kirchenglocken. Alle warten in der Kirche auf mich, Sollie sieht in seinem Anzug einfach umwerfend aus, und ich bin zu Hause bei meinen Eltern, in einem wunderschönen weißen Kleid. Mein Make-up ist perfekt, mein Haar sieht toll aus und wird von einem entzückenden Krönchen geziert. Ich sehe phantastisch aus. Alles ist so, wie ich es mir immer erträumt habe. Das Einzige, was mein Glück trübt, ist eine manisch grinsende Pippa in Schuluniform mit enormen Diamantohrringen, die garantiert nicht Teil der Schulausstattung sind, und sie steckt meinen perfekt frisierten Kopf in die Kloschüssel.
Ich wache zwar nicht gerade schreiend auf, aber meine Atmung ist offenbar so schwer und ächzend, dass Sollie mich skeptisch ansieht, als ich die Augen öffne.
»Alles in Ordnung?«, fragt er besorgt.
»Mhm« ist alles, was ich zu Bestätigung herausbringe.
»Sicher?«
»Ja. Hab schlecht geträumt … glaube ich …«
»Wovon denn?«
»Ähm … weiß nicht mehr … Du weißt doch, wie das ist, man vergisst es immer, sobald man die Augen aufschlägt.«
Zum Glück ist er noch zu müde, um weitere Fragen zu stellen,
und nach einem freundlichen Blick aus seinen großen grünen Augen blinzelt er noch einmal und schließt sie dann wieder. Wenige Sekunden später verrät mir seine regelmäßige Atmung, dass er wieder eingeschlafen ist.
Ich atme aus. Lang und laut. Und um noch einmal zum Ausdruck zu bringen, was ich von der ganzen Sache halte, gebe ich einen lauten Furz von mir. Zum Glück schläft Sollie tief und fest. Wie peinlich. Obwohl mich niemand gehört hat, werde ich rot.
Es ist erst sechs. Der Wecker geht erst in anderthalb Stunden, aber ich habe keine Lust mehr einzuschlafen, es sei denn ich würde träumen, dass es Pippas Kopf ist, der ins Klo gehalten wird, oder besser noch, Pippa käme gar nicht erst in meinen Träumen vor, sondern nur Sol und ich an einem Strand in der Karibik.
Ich seufze noch einmal. Ich hatte mich so gefreut hierherzukommen. Ein bisschen aufgeregt war ich schon, aber im guten Sinne. Jetzt will ich nur noch nach Hause. Ich habe mich vorgestellt, ein paar Gleichgesinnte gefunden, und jetzt ist es Zeit, wieder zu gehen – bevor sie merkt, wer ich bin, und alles ruiniert ist.
Denn sie wird alles ruinieren, jedenfalls, wenn hinter der Philly-Beresford-Hülle noch die alte Pippa Langford steckt. Denn Pippa Langfords einziges Ziel war es, Violet Templers Leben kaputtzumachen. Keine Ahnung, warum, aber es war so. Ihre unbarmherzige Mission endete erst an dem Tag, als sie St. Benedict verließ. Warum sie sich ausgerechnet mich ausgesucht hat, ist mir bis heute schleierhaft. Wahrscheinlich hatte ich irgendetwas an mir, das sie nicht leiden konnte, oder ich war einfach ein dankbares Opfer.
Ich bin einer von diesen Menschen, die erst einmal nicht reagieren, sondern alles in sich aufstauen und es in einer Ecke
ihres Kopfes unter »Ungerechtigkeiten« ablegen. Mit »Ungerechtigkeiten« meine ich unfaires oder einfach falsches Verhalten.
Ich tue das nicht, weil ich so nachtragend bin, sondern weil ich im Gegenteil relativ leicht verzeihen kann. Ich gebe nicht nur eine zweite Chance, sondern hundert. Ich stecke
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