Mein ungezähmter Highlander
sie auch noch darauf hin, wie sehr sich ein Jahr in die Länge ziehen könnte.«
Sleats Gesicht wurde puterrot, als er Rorys versteckte Andeutung vernahm. Isabel musste den Drang zu kichern unterdrücken. Sleat wandte sich ihr mit durchdringendem Blick zu. »Ich hoffe, du hast alles gefunden, was du hier auf Dunvegan gesucht hast, Isabel?«
Was er wirklich mit seinen Worten meinte, war ihr sofort klar. So viel also dazu, den rechten Augenblick abzupassen und darauf zu warten, bis sie unter sich waren. Anscheinend hatte Sleat sich von dem kurzen, nichtssagenden Brief, den sie ihm zusammen mit der Einladung geschickt hatte und in dem sie so tat, als hätte sie gar nicht verstanden, dass er einen detaillierten Bericht über ihre Fortschritte wollte, nicht täuschen lassen. »Ich finde alles sehr schön hier, Onkel.« Sie warf einen bedeutungsvollen Blick in Rorys Richtung. »Es tut mir leid, dass ihr euch meinetwegen Gedanken gemacht habt, aber ich war die letzten Monate durch meine Aufgaben im Haushalt und die Vorbereitung des Turniers sehr eingespannt. Bestimmt
werde ich in den nächsten Tagen viel Zeit finden, um all eure Bedenken zu zerstreuen.«
»Ich bin ganz erpicht darauf, alles zu hören, was du zu erzählen hast. Lass uns nicht zu lange auf unser kleines Familientreffen warten.«
Glücklicherweise wurde ein weiteres Gespräch zwischen Rory und Sleat durch die lärmende Ankunft ihrer Brüder unterbunden.
»Schön dich zu sehen, Bel, ich habe dich vermisst.« Ian lächelte sie liebevoll an und zog sie fest in seine Arme.
Ian war zwar erst dreiundzwanzig, doch er besaß bereits die beeindruckende Gestalt – allerdings ohne den Leibesumfang – ihres Onkels. All ihre Brüder sahen außergewöhnlich gut aus, doch Ian hatte noch das gewisse Etwas. Sie fand, dass er ihr von den dreien am meisten ähnelte – allerdings eine groß geratene Ausgabe von ihr mit smaragdgrünen Augen. Sein Haar wies den gleichen Farbton auf wie ihres, hatte jedoch ein paar mehr goldblonde als rote Strähnen, weil er sich so häufig im Freien aufhielt. Seine Züge, wenn auch männlich, waren von einer klassischen Vollkommenheit. Doch vor reiner Schönheit war er glücklicherweise bewahrt worden – er hatte ein kräftiges, eingekerbtes Kinn und eine schmale, zackige Narbe seitlich an seiner leicht gekrümmten Nase. Eine Blessur, die er sich bei einem Kampf zugezogen hatte und die seine Ausstrahlung als Draufgänger nur noch betonte.
Isabel war von den echten Gefühlen überrascht, die sie hinter seinem eindeutig schurkischen Charme entdeckte. Hatte er sie tatsächlich vermisst? Hatte Rory vielleicht Recht und sie hatte die Unaufmerksamkeit ihrer Familie missgedeutet? In ihrem Herzen stieg plötzlich Hoffnung auf. Sie hatte bei den MacLeods den Respekt und das Zusammengehörigkeitsgefühl gefunden, von dem sie ihr ganzes Leben lang geträumt
hatte – vielleicht könnte sie ja auch zu ihrem Vater und ihren Brüdern so etwas wie Nähe aufbauen.
»Ich habe dich auch vermisst, Ian, ich habe euch alle vermisst. Wir haben viel zu bereden, doch das wird bis nach dem Fest warten müssen. Kommt, lasst uns zur Feier in die große Halle gehen.« Als sie die eifrigen Gesichter ihrer nur allzu gern zechenden Brüder bemerkte, mahnte sie sie neckend: »Aber seid vorsichtig mit dem MacLeod- cuirm – wenn ihr euch morgen bei den Wettkämpfen von eurer besten Seite zeigen wollt.«
Sie lachte über die gespielt beleidigten Mienen ihrer Brüder ob ihrer Anspielung auf die Notwendigkeit, sich im Trinken zu mäßigen, drehte sich um und machte sich mit Ian auf der einen und Rory auf der anderen Seite auf den Weg zur großen Halle.
»Aber ich hoffe doch, dass MacLeod bei den diesjährigen Kämpfen keine Mädchen zulässt, Bel. Oder hat er schon herausgefunden, dass die MacLeods mit dir auf ihrer Seite beim Bogenschießwettbewerb unschlagbar wären?«
Isabel sonnte sich förmlich in Ians neckendem Kompliment. »Ach, du solltest erst einmal Rorys Schwester Margaret sehen – in letzter Zeit übertrifft sie mich bei Weitem.«
»Du machst Witze. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass jemand dich schlägt.« Er sah zu Rory und witzelte: »Man weiß nie, wann eine Schwester, die mit Pfeil und Bogen umgehen kann, mal nützlich ist.«
Verblüfft sah Isabel ihn an, doch er erwiderte ihren neugierigen Blick nicht. War das nur eine harmlose Bemerkung gewesen oder wies er gerade offen auf den Pfeil hin, der ihm das Leben gerettet hatte? Isabel
Weitere Kostenlose Bücher