Mein ungezähmter Highlander
vielleicht doch verlieren würde. Er liebte sie zwar, aber er hatte immer noch nicht versprochen, sie zu heiraten. Mit jedem Tag, der verging, rückte die Entscheidung näher. Würde Rory sie tatsächlich zurückschicken? Sein Schweigen bezüglich ihrer gemeinsamen Zukunft schien ihre Befürchtungen nur zu bestätigen.
Die Drohung ihres Onkels, Rory von ihrem Verrat zu erzählen, lastete schwer auf ihrer Seele. Sleat hatte nur eins im Sinn: Er wollte die MacLeods ohne Rücksicht auf das Glück oder die Sicherheit anderer wie ein machiavellischer Fürst vernichten. Sie hegte keinen Zweifel daran, dass ihr Onkel sein Versprechen halten würde, wenn sie ihm nach Ablauf der Frist das Banner nicht brachte. Wenn Sleat überhaupt so lange wartete. Isabel wusste, dass sie schnell irgendetwas in Bezug auf ihren Onkel tun musste. Sie würde alles tun, um ihr Geheimnis
zu bewahren, bis sie sicher war, dass Rory sie nicht zurückschickte. Erst dann würde sie es wagen, unter Umständen seinen Zorn zu erregen.
Rory hatte ihr seine Liebe und sein Vertrauen geschenkt, doch sie war nicht vollkommen ehrlich mit ihm gewesen. Sie hätte ihm sagen sollen, dass sie in jener Nacht, als er im Sterben lag, Angst gehabt hatte, er würde ihr nicht vergeben.
Ihre Liebe war zu zerbrechlich. Es gab zu viele Kräfte, die sie voneinander fernhalten wollten. Isabel hatte nicht viel Erfahrung mit der Liebe, noch war sie sich sicher, die Liebe eines Mannes wie Rory halten zu können. Die Narben der Vergangenheit gingen zu tief, als dass sie mit ein paar Worten, die im Angesicht des Todes gesprochen worden waren, ausgelöscht werden konnten … und die dann noch nicht einmal wiederholt wurden. Wie sollte sie an die Stärke seiner Liebe glauben, wenn die Aussicht, von ihm weggeschickt zu werden, wie ein Damoklesschwert über ihrem Kopf hing?
Sie musste Zeit gewinnen. Zeit, um die Königin um Hilfe bei der Übertragung von Trotternish zu bitten, und Zeit, um ihren Onkel davon abzubringen, ein Loch in das zarte Band ihrer Liebe zu sprengen, das sie gerade erst geknüpft hatten. Aber wie sollte sie Sleat zufriedenstellen, ohne dabei Rory zu hintergehen?
Die Antwort darauf war ihr ziemlich unerwartet gekommen, als sie gerade für Rorys Genesung betete. Bessie kam in ihr Zimmer und trug ein altes Umschlagtuch aus Seide. Damit hatte Isabel ihre göttliche Antwort erhalten.
Das habe ich schon einmal gesehen. Das Banner, auf das sie durch den Türspalt einen Blick erhascht hatte, sah genauso wie Bessies Tuch aus. Schnell entstand in ihrem Kopf ein Plan. Sie würde ihrem Onkel schreiben und ihm mitteilen, dass sie das Banner gefunden hatte. Doch statt des Banners würde sie
ihm Bessies Tuch geben oder aber, wenn ihr Onkel darauf bestand, dass sein Spitzel das Tuch selber holte, würde sie es vorübergehend austauschen. Sobald der Spitzel ihres Onkels das »Banner« geholt hatte, würde Isabel das echte Feenbanner wieder an seinen Platz legen und Rory dann sobald wie möglich die Wahrheit sagen.
Das Ganze war mit vielen Risiken verbunden, doch ihr fiel keine andere Möglichkeit ein, ihren Onkel zufriedenzustellen und gleichzeitig auf Dunvegan zu bleiben. Ihre List würde bestimmt irgendwann aufgedeckt werden, doch bis dahin hätte sie kostbare Zeit gewonnen. Und hoffentlich würde sich bis dahin auch die Sache mit dem Zurückschicken erledigt haben, weil sie dann ein richtiges Ehegelübde abgelegt hätten. Ein Gelübde, das sich nicht so leicht wie eine Ehe auf Probe würde auflösen lassen. Sie verdrängte die Schuldgefühle, die angesichts der von ihr geplanten Täuschung in ihr aufstiegen, und sagte sich, dass sich dadurch am Ende alles zum Guten wenden würde.
So setzte Isabel sich fast einen Monat nach dem Angriff, als Rory sich soweit erholt hatte, um sich zu Gesprächen mit seinen Männern zusammenzutun, an den Tisch, um einen vorsichtig formulierten Brief an ihren Onkel und einen weiteren an die Königin zu schreiben. Sie räumte ein paar Papiere weg und erblickte einen Brief, den Rory an diesem Morgen angefangen hatte zu schreiben. Der Name desjenigen, an den er gerichtet war, sprang ihr förmlich in die Augen: der Earl of Argyll. Sie las die Worte, die ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigten: »Ich bin genesen … ich muss Euch sehen, damit wir über unser Bündnis sprechen können.«
Er hatte immer noch vor, Elizabeth Campbell zu heiraten. Dieses Wissen schmerzte, doch gab es ihr gleichzeitig die Gewissheit, dass sie das Richtige tat.
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