Mein ungezähmter Highlander
gepanzerte Faust zu sehen, die ein Kreuz hielt. Quer über das Kreuz war Sleats Motto graviert: Per Mare Per Terras – zu Wasser und zu Land.
»Ich weiß Bescheid, Onkel. Du solltest jetzt gehen, bevor ich noch erklären muss, worüber wir gesprochen haben. Ich möchte nicht, dass Rory Verdacht schöpft.«
»Also dann, viel Erfolg, Mädchen.« Der MacDonald grinste lüstern, wobei er eine Reihe gelber Zähne zeigte.
Seufzend vor Erleichterung sah sie zu, wie er fortging. Sleat machte sie nervös. Er war zwar ihr Onkel, aber irgendetwas hatte dieser Mann an sich, dass sich bei ihr die Nackenhaare aufstellten. Ohne Zweifel war Sleat ein mächtiger Chief. Doch er war mächtig, weil seine Leute ihn fürchteten, nicht, weil sie ihn verehrten.
Es ließ sich nicht leugnen, dass ihr Onkel eine ausgesprochen bösartige Seite an sich hatte. Auch die brutale Art und Weise, auf die er Rorys Schwester verstoßen hatte, bezeugte das. Er hatte sie aus politischen Erwägungen fortgeschickt. Ursprünglich hatte der MacDonald die Unterstützung der MacLeods gebraucht, um das uralte Lehnsgut der Lordship of the Isles wiederzuerlangen, das der Clan der MacDonalds vor über einhundert Jahren verloren hatte. Doch dann hatten die MacLeods die Gunst des Königs verloren, während die Mackenzies diese noch immer genossen. Und ihr Onkel brauchte die königliche Unterstützung, um die politische Macht wiederzuerlangen, die mit dem Titel Lord of the Isles einherging. Deswegen war Margaret MacLeod entbehrlich geworden. Isabel
hatte verstanden, warum er Margaret fortgeschickt hatte, doch erschien es ihr übermäßig grausam, sich auch noch über das Unglück dieser Frau lustig zu machen. Natürlich war auch dies geplant gewesen. Ihr Onkel wusste, dass der MacLeod gezwungen sein würde zurückzuschlagen. Er hatte gehofft, den Clan der MacLeods durch eine Fehde zu zerstören. Doch der MacLeod hatte sich als stärker entpuppt, als Sleat angenommen hatte, und war den MacDonalds noch immer ein Dorn im Auge.
Diesen Dorn sollte sie, Isabel, nun entfernen.
Sleat wollte nicht nur die Macht des Clans vergrößern, er wollte auch Westschottland und die Inseln regieren, ohne dass der König – oder die MacLeods – sich einmischten. Da Isabel den König kannte, hielt sie die Idee für sehr weit hergeholt. Es war jedoch nicht ihre Aufgabe, sich darüber Gedanken zu machen, ob die Pläne ihres Onkels legitim waren. Sie musste einzig und allein das tun, was man ihr aufgetragen hatte. Und dafür brauchte sie Rory. Oder genauer gesagt: Sie brauchte Rorys Liebe und sein Vertrauen.
Vielleicht war es doch nicht so schlecht gewesen, dass die MacDonalds schon abgereist waren. Es war nicht zu übersehen, dass Rory ihren Onkel hasste. Sleats Anwesenheit erinnerte Rory bestimmt an das tragische Schicksal seiner Schwester, und das würde ihr ganz gewiss nicht helfen.
Sie nahm die Schultern zurück und schüttelte ihre Mutlosigkeit ab. Es brachte nichts zu grübeln. Sie musste ihre Aufgabe erledigen. Sie würde dafür sorgen, dass ihre Familie stolz auf sie war, um dann diesen trostlosen Ort verlassen zu können. Dieses Jahr würde ein sehr langes Jahr werden. Doch zumindest hatte man sie nicht ganz alleine gelassen. Bessie hatte zugestimmt, ein paar Monate bei ihr zu bleiben, um ihr die Eingewöhnung leichter zu machen.
»Ihr solltet nicht hier draußen im Regen stehen.«
Erschrocken trat Isabel einen Schritt zurück und rutschte auf dem steinigen Gang an der Festungsmauer aus. Sie spürte seinen warmen Körper und seine harte männliche Brust hinter sich, als er sie auffing und dann sofort wieder losließ.
Bevor sie sich umdrehte, wusste sie schon, wer es war.
Ihr Herz hatte einen Satz gemacht, weil sie einen Moment lang glaubte, aus seinen Worten Sorge herausgehört zu haben. Doch als sie seinen ausdruckslosen Blick sah, wusste sie, dass sie sich getäuscht hatte. Das Gesicht dieses Mannes gab so viel preis wie ein Stein.
»Ich wollte nur sehen, ob meine Leute gut abgereist sind. Ich hatte gehofft, dass sie es sich anders überlegen und auf Dunvegan bleiben würden, bis der Sturm vorbei ist.«
Sie zuckte zusammen, weil sie selber merkte, dass es sich so anhörte, als würde sie sich verteidigen.
»Nun, Ihr seht, dass sie abgefahren sind. Also geht zurück in den Bergfried und trocknet Euch, bevor Ihr Euch erkältet.«
Sein brüsker Tonfall versetzte ihr einen Stich. Gerade jetzt fühlte sie sich so allein, dass sie seine Kälte nur schwer ertrug.
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