Mein ungezähmter Highlander
an der Zeit, die Zeche für ihr impulsives Verhalten zu bezahlen.
Isabel schrieb sich die Schuld an dem Vorfall zu, doch ihre Unzufriedenheit darüber, so lange in der Burg eingesperrt gewesen zu sein, war nicht ganz unberechtigt. Er hatte sie allein gelassen, für Monate, und ohne ihr Nachricht zu geben.
Sie entzog Rory die Hand nicht, und er geleitete sie aus der Halle. Die neugierig abschätzenden Blicke, denen sie unterwegs begegneten, blieben ihr nicht verborgen – der Clan hatte die wachsende Zuneigung zwischen ihrem Chief und seiner Braut wohl bemerkt.
Sie gingen nach draußen und folgten dem Gang, der die beiden Türme miteinander verband. Isabel zitterte angesichts des in der nächtlichen Luft liegenden kalten Hauchs. Instinktiv zog er sie dichter an sich. Es lag solch eine Selbstverständlichkeit in der Bewegung, als seien ihre Körper eins. Doch trotz der Wärme, die er ihr spendete, fröstelte sie immer noch.
»Ich habe schon öfter darüber nachgedacht, die beiden Türme mit einem breiten Gang zu verbinden. In den nächsten Jahren würde ich mich gerne nach einem Maurer umsehen, der dieses Vorhaben in die Tat umsetzt.«
Isabel klapperte mit den Zähnen. »Das hört sich wundervoll an. Vielleicht könntest du auch schon früher jemanden finden?«
Rory lachte. »Ich werde darüber nachdenken.«
Sie betraten den Feenturm mit seiner einladenden Wärme, und sie war froh, als er sie über die Wendeltreppe hinauf in die Bibliothek und nicht in ihre Kammer führte. Neutraler Boden. Immer wenn sie in den Turm kam, wurde Isabel von starken Schuldgefühlen befallen. Sie hatte gehofft, in der Zeit, als Rory zum Jahrmarkt nach Port Righ und dann weiter nach Edinburgh gereist war, Gelegenheit zu haben, diesen Turm genauso wie den alten Bergfried gründlich durchsuchen zu können, aber irgendwie schien nie der richtige Zeitpunkt dafür gewesen zu sein.
Vielleicht aber hatte sie – wenn sie ehrlich war – gar nicht die Zeit dafür finden wollen.
Isabel durchquerte den Raum und begab sich geradewegs zu dem großen Fenster, das sie mit seinem herrlichen Blick über die Bucht lockte.
»Es ist wundervoll.« Sie merkte, dass sie ihre Gedanken laut ausgesprochen hatte.
»In der Tat.« Doch Isabel sah, dass er nicht den Ausblick genoss. Bei dieser Erkenntnis lief ihr ein Schauer den Rücken hinunter, wie immer, wenn sie so dicht neben ihm stand. Er räusperte sich. »An einem klaren Tag kann man im Norden die Inseln Harris und North Uist erkennen. Im Westen hat man einen wunderschönen Blick auf die Tafeln.«
»Die Tafeln?«
»MacLeods Tafeln. Zwei Tafelberge, die nach einer List meines Großvaters benannt wurden, der einem hochnäsigen englischen Edelmann beteuerte, dass es keine schönere Tafel und keinen imposanteren Kerzenleuchter als den auf Skye
gäbe. Als der Edelmann herkam, um ihm das Gegenteil zu beweisen, hielt mein Großvater ein prunkvolles Fest auf jenen Hügeln ab, und der Himmel war von Hunderten funkelnder Sterne erleuchtet, sodass der Engländer ihm einfach beipflichten musste.«
Isabel klatschte vergnügt in die Hände und lachte. »Das hört sich so an, als wäre dein Großvater ein gerissener, alter Fuchs gewesen.«
Rory kicherte. »Oh ja, das war er außerdem.« Er deutete zum Fenster und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Schwärze unter ihnen. »Am liebsten sehe ich jedoch auf die See.«
Isabel ließ ihren Blick geradewegs über das unter ihnen befindliche Steilufer hinunter auf das in tiefem Schwarz um die Felsen herumwirbelnde Wasser wandern, wobei das schwache Licht der Mondsichel die Dunkelheit der in Nebel gehüllten Nacht kaum zu durchdringen vermochte. Isabel stimmte mit einem Nicken zu. »Ich glaube, dass ich immer am Wasser leben muss. Die Gärten bei Hofe waren zwar auch schön, aber Loch Carron fehlte mir. Es war merkwürdig, aus dem Fenster zu blicken und dann kein Wasser zu sehen.« Sie seufzte verträumt. »Nichts ist so wohltuend, wie das rhythmische Schlagen von Wellen gegen Felsen.«
Rory sah sie ob ihrer tief empfundenen Worte überrascht an. »Ich fühle ganz genauso. Wenn man auf einer Insel lebt, hat man das Meer im Blut. Wann immer ich nicht auf Skye bin, höre ich doch seinen Ruf.«
Isabel merkte, dass Rory ihr gerade einen kleinen Einblick in sein Herz gewährt hatte. Er war doch zu tieferen Empfindungen fähig, als er andere wissen ließ. Dies freute sie, auch wenn sie über seine Miene, auf der Unbehagen und Überraschung zu erkennen waren, am
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