Mein verräterisches Herz: Roman (German Edition)
über sie
hinweg die Hand aus, um die Heizung einzuschalten. »Grady sagte, du wärest acht Jahre verheiratet gewesen. Wie kommt es, dass du noch Jungfrau warst?«
»Weil ich mit einem Mann verheiratet war, der sich nichts aus Frauen gemacht hat«, erklärte sie errötend und mit gesenktem Blick. Dann sah sie Alex wieder an. »Und wenn du als Nächstes fragen willst, warum ich Roland Banks überhaupt geheiratet habe, dann lautet meine Antwort, dass dich das nichts angeht.« Sie reckte ihr Kinn vor. »Möchtest du sonst noch etwas wissen?«
Alex machte den Mund auf, klappte ihn aber ebenso rasch wieder zu. Er hatte sie ohne Tritte und Geschrei in den Pick-up verfrachtet und wollte ihr keinen Grund liefern, gleich nach dem Aussteigen wieder nach Oak Grove zu rennen. Er begnügte sich also damit, einfach ein wenig mehr Gas zu geben.
Grady schätzte Sarah völlig falsch ein. Sie war kein schüchternes Mäuschen. Im Gegenteil: Sie war eine verkappte Tigerin, wie Alex noch nie eine begegnet war. Hinter ihrem anziehenden Äußeren hatte er schon etliche Hinweise auf ein stählernes Rückgrat entdeckt.
Verdammt, auch seinem Vater musste dies aufgefallen sein. In dem Monat, den er in ihrer Pension verbracht hatte, hatte Grady die wahre Frau in diesem schönen Körper gesehen und deshalb Sarah mit zu sich nach Hause genommen.
Sein Vater war immer am Ränkeschmieden. Immer – und deshalb brach Alex jetzt der kalte Schweiß aus, als er nach Hause raste. Gradys Ideen mochten ja verrückt ein, aber der Alte irrte sich eigentlich nie, wenn man die Endresultate betrachtete. War der Waldbesitz der Knights unter Gradys
kundiger Führung nicht von zweihunderttausend Morgen auf fünfhunderttausend angewachsen? Auch als sie praktisch keinen roten Heller besessen hatten, war es Grady gelungen, mehr Land zu erwerben. Ihre Haushälterin mit seinem verstorbenen Sohn zu verheiraten, um seine Enkel zu schützen, war wieder so ein Geniestreich seines Vaters gewesen.
Und Gradys Idee, Sarah hierher in sein Haus zu bringen?
Das war es, was Alex richtig beunruhigte.
6
S arah wollte nur heiß duschen – mindestens drei Stunden lang. Dann wollte sie für drei Monate ins Bett. Doch es galt, sechs außer Rand und Band geratene Leute zu verköstigen, sechs mit Lavendelblüten bestreute Matratzen abzusaugen und zu beziehen und nach dem Dinner an die hundert schmutzige Teller zu spülen und einzuräumen.
Sie stand benommen und reglos mitten in ihrem Zimmer und starrte ihr nasses Bett an, während sie die beglückten Rufe und das Geschrei vom Bootssteg hörte. Das nasse Bett verstand sie; sie hatte Pauls Matratze letzten Monat auch trocknen lassen müssen, als Grady seinen Jüngsten am Morgen abrupt mit einer Dusche geweckt hatte, nachdem dieser eigenmächtig einen Mitarbeiter gefeuert hatte.
Plötzlich lächelte Sarah, als ihr aufging, dass Alex heute Morgen dieselbe Abreibung bekommen hatte. Gut. Sie hoffte, dass er mit einem Brummschädel erwacht war, der noch immer so dröhnte wie ihr Kopf.
Schließlich zwang sich Sarah, in die Gänge zu kommen. Sie zog die nassen Laken ab, kramte im Schrank nach dem Ventilator, von dem sie geglaubt hatte, sie würde ihn erst nächstes Frühjahr wieder brauchen, und stellte ihn auf den Nachttisch, um die nasse Matratze zu trocknen. Dann ging sie ins Bad, zog ihre Sachen aus, drehte die Dusche auf und
trat unter den scharfen Strahl. Ihr blieb noch Zeit, sich rasch aufzuwärmen, dann musste sie den Truthahn füllen und ins Rohr schieben. So wie es aussah, würden sie erst um fünf essen können, obwohl sie das Dinner für drei Uhr angesetzt hatte.
Sarah stand unter dem prasselnden Wasserstrahl und spürte japsend, wie ihre Knochen auftauten. Es hatte sie ihre ganze Willenskraft gekostet, nicht loszuheulen, als Grady die Tür des Pick-ups geöffnet hatte. Er hatte ihr beim Aussteigen geholfen und sie in einer großen, sanften Umarmung umfangen, während er ihr immer wieder zugeflüstert hatte, wie leid es ihm tue, nicht eher für sie da gewesen zu sein. Sarah hatte ihm ihr schönstes Lächeln geschenkt und ihn beruhigt – es fehle ihr nichts, und er müsse sich für nichts entschuldigen. Dann war sie ins Haus gegangen, hatte am Fenster gestanden und hinausgestarrt, während Alex stumm ihr Gepäck abstellte, ehe er leise ihre Tür schloss.
Am Morgen hatte sie auf ihrem langen Marsch ausgiebig Zeit zum Nachdenken gehabt – wenn sie nicht beim kleinsten Geräusch zusammengezuckt war. Sie war zu dem
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