Mein verräterisches Herz: Roman (German Edition)
fünf Monaten werde ich elf«, rief sie Sarah in Erinnerung. »Natürlich wusste ich das.« Sie zuckte die Schultern. »Die Wärmeleitung zu meinem Zimmer führt von der Küche herauf. Ich habe alles mitgehört, was Opa plante.«
»Du hast gewusst, dass dein Vater tot ist – sechs Tage, bevor wir es dir schließlich gesagt haben?«, fragte Sarah erschrocken. »Delaney, wie kommt es, dass du keine Fragen gestellt hast? Wie konntest du so tun, als hättest du keine Ahnung?«
Alex ging plötzlich auf Delaney zu, nahm sie auf den Arm und drückte sie fest an sich. »Ach, mein Kleines«, flüsterte er.
»Ich habe es nicht geglaubt, Daddy«, sagte die Kleine an seinem Hals und umarmte ihn stürmisch. »Ich wusste, dass du nicht tot bist. Ich wusste es einfach!« Sie lehnte sich in seinen Armen zurück, umfasste sein Gesicht und sah ihm in die Augen. »Ich wusste, dass du nach Hause kommst.«
»Ach, mein Kleines«, wiederholte Alex, begrub sein Gesicht in Delaneys Haar und wiegte das Mädchen in seinen Armen. »Genau deswegen bin ich ja zurückgekommen – weil du und Tucker auf mich gewartet habt.« Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht. »Und ich verspreche dir, dass ich nie wieder Aufträge im Ausland annehmen werde. Ich werde diese Wälder ohne dich und Tucker nie wieder verlassen«, schloss er mit belegter Stimme und streichelte ihr übers Haar. »Du warst elf Tage lang mein Schutzengel, mein Kleines. Ich habe deine Gebete gehört.«
»Ich habe auch jeden Abend gebetet, Daddy«, flüsterte sie. »Manchmal sogar die ganze Nacht.«
Sarah wandte sich ab und tupfte sich die Augen mit ihrer Schürze ab. Gott, o Gott, sie hatte ja gewusst, dass sie heute wie ein Schlosshund heulen würde.
»Komm schon, Kleines«, hörte sie Alex sagen. »Wir spazieren jetzt mit Tuck zu unserem geheimen Platz.«
»Okay, aber lange können wir nicht ausbleiben«, warnte Delaney. »Ich muss Sarah beim Tischdecken helfen. Ich habe alle Platzdeckchen selbst genäht – eines auch für dich, weil ich ja wusste, dass du nach Hause kommst.«
»Du hast die Platzdeckchen gemacht?«, fragte Alex ungläubig. »Wann hast du denn Nähen gelernt?«
»Im Herbst. Sarah hat es mir beigebracht.«
Sarah ließ Wasser in die Spüle rinnen, um die Schüssel für die Füllung zu spülen. Sie wusste, dass Alex sie ansah.
»Komm, Daddy. Gehen wir schon«, sagte Delaney. »Sarah und ich müssen eine Unmenge Truthahnfüllung vorbereiten.«
Sarah lächelte, nachdem sie das Sausen der Schwingtür
vernommen hatte. Delaney hatte nicht nur die Platzdeckchen angefertigt, auch der Tischläufer für das Thanksgiving-Dinner war ihr Werk, und Sarah hatte noch nie missglückte Deckchen gesehen, die trotzdem so hübsch waren.
Die Thanksgiving-Feier verging wie im Flug. Als sie nach Tisch durch den Salon ging, um oben die Betten zu machen, stutzte Sarah. Alex saß auf der Couch mit Tucker auf dem Schoß, der ihn unverwandt anblickte, während Delaney sich an ihn kuschelte, völlig verdreht, damit sie ihn besser sehen konnte. Und Grady stand mit Ethan und Paul vor der Couch, vorgebeugt, damit auch sie besser sehen konnten.
Alex hatte sein Hemd aufgeknöpft und strich mit den Fingern über seine Brust. Sarah konnte sich nicht denken, warum alle so interessiert waren, bis er sagte: »Sie muss fast sechs Meter lang gewesen sein und so dick wie mein Leibesumfang.« Er sah Tucker in die aufgerissenen Augen. »Anakondas sind nicht giftig, sie töten ihre Beute, indem sie ihnen die Luft abschnüren«, erklärte er in dramatischem Flüsterton und drückte Tucker in einer Riesenumarmung an sich, bis der Junge laut kreischte.
Alex lehnte sich zurück und deutete auf zwei kleine Schnitte an seiner Brust. »Aber sie beißen auch zu. Deshalb habe ich mein Messer aus dem Gürtel gezogen und damit auf den Kopf der Schlange eingedroschen«, fuhr er fort und hob eine Hand, um die entsprechenden Bewegungen in der Luft auszuführen. »Am Abend habe ich sie verspeist, und zwar roh, weil ich kein Feuer machen konnte.«
»Huuuuch«, sagte Delaney und rückte ab. »Daddy, du kannst doch keine rohe Schlange essen!«
Alex grinste und tätschelte ihr Bein. »Sie hat fast so gut wie der Truthahn geschmeckt, den wir gerade eben verspeist haben. Nur musste man mehr kauen.«
Sarah wusste nicht, was ihr mehr Grauen einjagte – dass Alex mit einer Riesenschlange gekämpft hatte oder der anschauliche Bericht, den er seinen Kindern von dem Kampf gab.
Als sie bemerkte, dass Alex ihr
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