Mein verräterisches Herz: Roman (German Edition)
zu Fuß in drei Stunden kommt?«, fragte er, als er in seine Jacke schlüpfte.
»In der Dunkelheit, allein und immer wieder über die Schulter blickend, weil jedes Geräusch sie zu Tode erschreckt?« , gab Grady zurück. »Vier, vielleicht fünf Meilen.«
»Dann hättest du ihr unterwegs begegnen müssen.«
»Nein, nicht wenn sie mich kommen gehört und sich im Wald versteckt hat.« Grady seufzte. »Sarah ist ein verschrecktes Mäuschen. Sie arbeitet jetzt schon fast drei Monate hier, aber sie ist ganz anders als die Haushälterinnen, die wir sonst hatten. Man möchte meinen, Sarah würde sich am liebsten unsichtbar machen, während sie für uns alles perfekt gestaltet.« Er blickte sich nach Alex um. »Immerzu sieht sie sich diese verdrehten Ratgeber-Shows im Fernsehen an und probiert alle Tipps aus – bis zu einem Punkt, dass es Ethan und Paul schon schier wahnsinnig macht. Sie hat unsere Klamotten, auch Socken und die Unterwäsche, nach Farbe und Jahreszeit sortiert, sie hat neue Vorhänge
für alle Fenster genäht und setzt uns allabendlich ein Vier-Gänge-Menü vor.«
»Du willst damit sagen, dass ihre Perfektion alle in den Wahnsinn treibt?«
Grady nickte. »So in dem Stil. Jeder scheut sich, sie auch nur um eine Kleinigkeit zu bitten, um nicht nach Hause zu kommen und alles tipptopp erledigt vorzufinden. Sie hat sogar draußen beim Whirlpool ein Regal für die Handtücher gebastelt. Wir wickeln uns in die Handtücher, wenn wir zurück ins Haus gehen, und am nächsten Tag liegen sie zum Gebrauch bereit gewaschen und zusammengelegt wieder im Regal.«
»Und das soll schlecht sein? Wieso eigentlich?«
»Weil sie sich zu sehr ins Zeug legt«, erwiderte Grady mit einem Stirnrunzeln. »So als wäre es Sarahs einziges Lebensziel, allen zu Gefallen zu sein. Und sie hat doch tatsächlich gesagt, dass es sie glücklich macht, wenn sie uns glücklich machen kann.« Er trat hinaus auf die Veranda. »Wir alle wollten sie überreden, sich nicht so in Kleinigkeiten zu vertiefen und sich ein wenig zu amüsieren, sie aber lacht nur und sagt, dass sie sich auch so amüsiert.«
Alex trat hinaus auf die Veranda und drehte sich zu seinem Vater um. »Möchtest du, dass sie als Haushälterin bleibt oder nicht?«
»Sarah ist das Beste, was unserer Familie passiert ist, seit deine Mama nicht mehr lebt«, erklärte Grady. »Sie müsste nur etwas lockerer werden.« Plötzlich lächelte er. »Wenn du nur halbwegs der Mann bist, als den ich dich kenne, dann bist du genau der Richtige, um diese Lockerung herbeizuführen.«
Alex zog eine Braue in die Höhe. »Und wenn ich dieser Mann nicht sein möchte?«
»Verbring erst mal einen Monat in ihrer Nähe, und stell mir dann diese Frage.« Er winkte Alex fort. »Such sie und bring sie zurück. Ich werde jetzt Ethan und Mary anrufen. Wenn du mit Sarah wiederkommst, werden Delaney und Tucker hier sein. Und … Alex?«
»Ja?«
»Du solltest dir eine verdammt gute Entschuldigung zurechtlegen und diese nötigenfalls auf den Knien vorbringen. Betrunken oder nicht, du kannst nicht mit einer Frau schlafen, sie beschuldigen, sie würde dich schlecht behandeln, und sie dann in die Finsternis hinausjagen. Du kannst auf ihre Vergebung nur hoffen.«
Alex ließ den Kopf hängen. »Ich weiß. Ich werde sie finden und zurückbringen. Und du hast meine Kinder hier, wenn wir kommen.«
Er lief zu dem ersten Pick-up, der dastand, sprang hinein, ließ den Motor an und fuhr in Richtung Stadt. Er wollte wirklich auf die Knie fallen, wenn er auf diese Weise Sarah überzeugen konnte, dass es ihm aufrichtig leidtat – und zwar alles.
Sarah zu finden erwies sich als so einfach wie die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen, wie Alex nach einer halben Stunde Fahrt feststellte; er hatte in der Zeit gerade einmal vier Meilen zurückgelegt. Der Boden war hart gefroren, und die spärlichen Spuren, die ihm verrieten, wie weit sie gekommen war, konnte er nur mit Mühe ausmachen. Dreimal hatte er einen umgedrehten Stein, zertretenes
Gras, einen geknickten Strauch dort entdeckt, wo Sarah in den Wald eingedrungen war, um sich vor jemandem zu verbergen – um nur ein Stück weiter wieder auf die Straße hinauszutreten. Die erste dieser Spuren hatte er eine Meile vom Haus entfernt entdeckt, nicht weit von der Stelle, wo die Zufahrt in die breite Forststraße mündete. Alex hatte angehalten und den Wald fünf Minuten lang abgesucht, ehe er die Stelle fand, wo sie sich wieder auf die Straße hinausgewagt
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