Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
Zeitvertreib« gehabt.
Golubowitsch zufolge wirkte Chodorkowski weniger emotional als die meisten anderen Geschäftsleute. Sein Sinn für Humor sei ausgeprägt, er habe sich aber nie wütend oder gereizt gezeigt, seine Untergebenen nicht angeschrien und sie nicht grob oder absichtlich beleidigt.
Alexej Golubowitsch: »Äußerlich wirkt Chodorkowski unsentimental. Es kam aber durchaus vor, dass er etwas nicht aus Berechnung tat, sondern aus Respekt oder Mitgefühl. Das Lyzeum in Korallowo ist dafür vielleicht ein Beispiel (also keine ›öffentliche Wohltätigkeit‹). Oder ein anderer Fall: Als wir einmal in der Nähe seiner Datscha im Park spazieren gingen, las er einen herrenlosen Welpen auf. Für mich kam das ziemlich unerwartet (ich habe mein Leben lang mit Hunden zu tun, und einer seiner Geschäftspartner hat oft so etwas gemacht, aber von Chodorkowski hätte ich nicht erwartet, dass er Zeit für einen Hund verschwenden würde, der ihm noch dazu gleich den Mantel versaut). Von ›reiner Berechnung‹ würde ich also nicht sprechen. Ich kenne Leute, die besser darin sind, ihren Vorteil zu wahren.«
1992 holte Chodorkowski die Gruppe zusammen und schlug vor, Lebedew und Golubowitsch als Partner aufzunehmen. Sämtliche Entscheidungen dieser Art traf er selbst, besprach sie dann aber mit seinem nächsten Umfeld. Die Gesellschafter erinnern sich, dass bei Lebedew niemand irgendwelche Zweifel hatte. Bei Golubowitsch sträubten sich alle. Chodorkowski sprach also mit jedem einzelnen und kriegte jeden einzeln klein. Er argumentierte, dass sie so einen Partner bräuchten, dass er unabdingbar sei für den Übergang zu einer Investmentgesellschaft und gut darin, Investitionsobjekte auszuwählen. Die Einwände der Kollegen waren »persönlicher Art«, sie zweifelten also nicht an den beruflichen, sondern an den menschlichen Qualitäten des Kandidaten. Einer der Gesellschafter berichtete mir, er habe Golubowitsch in einer Extremsituation erlebt, und seine Reaktion habe ihm missfallen: »An seinem Verhalten war etwas Feiges, und das habe ich Chodorkowski auch erzählt.« Aber Chodorkowski blieb hart. Einer der Gesellschafter sagte mir: »Golubowitsch hat einen auszeichneten Kopf. Seine Marktprognosen waren exakt. Aber als Mensch taugt er überhaupt nichts.« War Chodorkowski das klar? Das war eine Frage der Prioritäten. Wenn ich es recht verstehe, waren die beruflichen Qualitäten für ihn das Wesentliche, wenn es darum ging, über eine Partnerschaft zu entscheiden.
Alexej Golubowitsch: »Formal gesehen, war ich nicht lange Gesellschafter der Menatep-Gruppe (Gibraltar), weil irgendwann die Weisung kam, die Aktien auf die Treuhandgesellschaft umzuschreiben, die ich selbst nicht verwaltete. Überhaupt konnte ich nicht über die Aktien verfügen, ich konnte ihren Wert nicht realistisch einschätzen und ich rechnete auch nicht damit, dass ich dafür irgendwann einmal eine nach meinem Verständnis substanzielle Summe erhalten würde. Deshalb habe ich mich bis 2005 nicht für das Aktienpaket interessiert, das Chodorkowski mir irgendwann einmal Ende der neunziger Jahre im Flugzeug angeboten und praktisch geschenkt hatte.«
Ich habe Alexej gefragt, warum sein Name nicht auf der Liste der Gesellschafter stand, als die Group Menatep Limited im Sommer 2002 ihre Eigentumsstrukturen offenlegte. Es war immerhin nur sein Name, der da fehlte. Anstelle seines Namens stand dort »andere« mit 4,5 Prozent der Aktien. Seine Antwort war: »Ich habe mich zur Veröffentlichung dieser Angaben oder zu einem Verzicht darauf nicht geäußert. Ich habe lediglich angemerkt, dass etwa um diese Zeit jemand versuchte, mehrere kleinere negativ gefärbte Artikel über Menatep und über mich in den Medien zu platzieren. Und später sagte Chodorkowski, dass es nötig gewesen sei, ›mein‹ Aktienpaket auf einen Wert von unter fünf Prozent zu verringern, weil man in diesem Fall im Westen nicht verpflichtet sei, den Namen eines Begünstigten offenzulegen. Der Grund, den er sich als Erklärung ausgedacht hatte – meine Geschäftstätigkeit auf dem Wertpapiermarkt –, klang nicht plausibel, deshalb kam ich zu dem Schluss, dass das wohl eine Reaktion auf meinen Weggang von Yukos war, und das war auch völlig in Ordnung für mich. Neben anderen Papieren hatte ich bezüglich der Aktien der Menatep-Gruppe eine Option unterzeichnen müssen, mit der man der Treuhandgesellschaft, die die Aktien besaß, diese Aktien zwangsweise zu einem beliebigen Preis abkaufen
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