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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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Das ermöglichte insbesondere die Betreuung von Unternehmen, die Devisengeschäfte abwickeln durften und die oft weitaus mehr wert waren als die Bank selbst. Dafür brauchte man allerdings eine Lizenz von der Staatsbank. Wer die Lizenz bekam, hatte einen gewichtigen Vorteil. Chodorkowski hatte in der Zeitung gelesen, dass die Credo Bank so eine Lizenz erhalten hatte. Er sagte: »Das ist genau, was wir brauchen, sonst sind wir bald tot.« Wladimir Dubow berichtet, er sei buchstäblich bei der Zentralbank eingezogen. Er habe dort so lange Klinken geputzt, bis er schließlich tatsächlich eine Lizenz für Menatep herausgeschlagen hatte. Keine Generalerlaubnis, sondern zunächst nur für das Inland – die Bank war damit berechtigt, inländische Korrespondenzkonten zu eröffnen, sie war jedoch nicht berechtigt, auch im Ausland Korrespondenzkonten zu unterhalten. Die Generalerlaubnis erhielt die Bank ein halbes Jahr später.
    Wladimir Dubow: »Diese erste Lizenz, das war eine lustige Geschichte. Die Zentralbank hatte beschlossen, uns eine Lizenz zu geben. Als nächstes musste sie also getippt werden. Der Angestellte, ein ganz junger Kerl, sagte mir: ›Aber nicht jetzt! Ich kann jetzt nicht. Ich hab Mittagspause, danach eine Besprechung … Komm morgen vorbei!‹ Darauf ich: ›Pass auf, geh du ruhig Mittag essen, ich tippe das einstweilen.‹ Er nickte und lief los. Ich sitze also da und tippe, den Telefonhörer zwischen Schulter und Ohr geklemmt, und am anderen Ende sind Chodorkowski und Lebedew. Ich tippe und sie sagen mir, was ich schreiben soll … Ich schreie sie an: ›Aber nicht so dreist, ihr Hunde, nicht so dreist!‹ Ich schreibe: ›Die Bank ist nicht berechtigt, offene Devisenpositionen zu halten …‹ Lebedew schreit: ›Ist berechtigt! Ist berechtigt! Lass das ›nicht‹ raus!‹ Ich widerspreche: ›Die kriegen das mit!‹ Darauf er: ›Wenn sie es mitkriegen, schreiben wir es um.‹ Du kannst dir vorstellen, was für eine geniale Lizenz wir uns da mithilfe von Kommas, Präpositionen, ausgelassenen und verschobenen Partikeln zusammengeschustert haben. Und sie wurde unterschrieben! Die zweite Paraphe sollte von Anatoli Zemjanski sein. 81 Zemjanski würde das sicher noch einmal durchlesen. Unterschrieben hat sie mir aber der Stellvertretende Leiter, über Zemjanskis Kopf hinweg und ohne dessen Paraphe. Ich rufe an und sage: ›Wir haben die Lizenz!‹ Chodorkowski wollte es nicht glauben. Ich fahre ins Büro und zeige sie: ›Hier!‹ Chodorkowski guckt, greift nach seiner Brieftasche und rennt in einen Laden. Zurück kommt er mit fünf, sechs Flaschen. Und am späten Abend sitzt die Leitung der Bank beisammen, trinkt irgendwelchen Rum, Gin und ekligen Likör und knabbert hartgebackene Kringel, die wir im Schreibtisch der Sekretärin gefunden hatten.«
    Aus dem ganzen Haufen kleiner Geschäftsbanken, die plötzlich scheinbar aus dem Nichts entstanden waren, wurden einige wirklich groß und hielten bis Ende der 1990er Jahre durch. Später tauchte der Begriff von den sieben Banken, der Semibankirschtschina, auf – das entsprach in etwa der realen Zahl. Unter ihnen war auch Menatep. Von dieser Bank nichts gehört zu haben, war einfach unmöglich. Allmählich wurde sie zu einer Marke, dank einer ziemlich aggressiven und eigenwilligen Werbekampagne. Von Werbung hatte man Anfang der neunziger Jahre in Russland jedoch nur eine sehr ungefähre Vorstellung.
    Wladislaw Surkow
    Niemand wusste, was das bedeutete. Der gut aussehende junge Mann auf dem Bildschirm hatte den Spitznamen »der schweigende Sprecher« bekommen, und die Zuschauer rätselten, was dieser Schönling auf dem Bildschirm tat, wer das war und was er da sollte. Bis er, nach einiger Zeit geheimnisvollen Schweigens auf dem Bildschirm im Ersten Kanal, das ersehnte Wort aussprach: »Menatep«. Damit war alles klar. Die Rolle des Sprechers hatte der Architekt Iwan Tschuwelew übernommen. Er war damals 27 Jahre alt und arbeitete bei Metapress, einer Agentur für Marktkommunikation. Die Idee zu diesem Werbespot stammte von Wladislaw Surkow. Auch er war damals 27, er ist ein Jahr jünger als Chodorkowski. Und damals war er ganz gewiss weniger bekannt als der »stumme« Sprecher Wanja Tschuwelew.
    Iwan Tschuwelew: »Für Leute, die sich auskannten, war es kein Geheimnis, dass Metapress Menatep gehörte. Wir machten damals die ganze Werbung für Menatep. Mit der Außenwerbung ging es ja gerade erst los. Das war 1991. Ich machte damals Werbung auf Brandmauern.

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