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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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Internet-Zeitung, die Einrichtung einer gemeinnützigen Organisation zur Verbreitung und Entwicklung des Internet in Russland unter besonderer Berücksichtigung der Regionen, und die Einrichtung von Computerklassen. Damals, Ende der 1990er Jahre, war es so gut wie unmöglich, auch nur irgendeinem Unternehmer in Russland die kommerziellen Vorzüge von Internetprojekten klarzumachen. Angesichts des allgegenwärtigen Fernsehens erschien die Idee, eine alternative Informationsquelle zu entwickeln, als Verwegenheit und Hirngespinst.
    Ich habe dennoch daran geglaubt. An die Menschen, und an ihre Ideen. Auch wenn es mir persönlich keinen kommerziellen Nutzen brachte: In der russischen Provinz wurden nun erste Internet-Kurse eingerichtet, das Internet wurde propagiert, und im Jahr 2000 entstand die gemeinnützige Organisation ›Föderation Internet-Bildung‹, die heute für viele ihrer Aufklärungsprojekte bekannt ist. Genau zu dieser Zeit, an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, wurde auch die Netzzeitung gazeta.ru ins Leben gerufen, deren Lektüre heute praktisch allen, die ihre Informationen aus dem Netz beziehen, unverzichtbar geworden ist.
    Ich hätte selbst nicht erwartet, dass die Aufgaben und Ziele, die seinerzeit formuliert wurden, schon jetzt Früchte tragen. Die Entwicklung des Internet hat dem ganzen Land genützt, das Netz ist heute eine eigenständige alternative Informationsquelle. Und was besonders erfreulich ist: In einer bestimmten Phase wurden die Projekte selbstständig und konnten sich ›freischwimmen‹. Das Internet ist inzwischen ein Teil unseres Lebens, unserer Politik; es ist ein neuer Stein im Fundament für den Aufbau einer Zivilgesellschaft in Russland.«
    Wären alle seine Pläne umgesetzt worden, Chodorkowski hätte eine sehr starke und einflussreiche Figur in Russland werden können, und nicht nur dort. Zu stark und zu einflussreich, um ihn noch an der kurzen Leine zu halten, wie die neuen Machthaber das in ihren Beziehungen mit den Großunternehmern bevorzugten. Zu stark und einflussreich, als dass dies den anderen Oligarchen und geschäftlichen Konkurrenten hätte gefallen können. Und dazu kam dieser Satz, den er irgendwann einmal in einem Interview hatte fallen lassen: mit 45 wolle er aus der Wirtschaft aussteigen. Aber wohin wollte er gehen? In die Politik? Außerdem gab es auch noch die von ihm gegründete Organisation »Offenes Russland« mit ihren Aufklärungs- und Bildungsprojekten im ganzen Land, eine Organisation, die ganz offensichtlich ein Modernisierungsvorhaben war und Chodorkowski in intellektuellen Kreisen sehr werbewirksam ins Licht rückte. Chodorkowski hatte aufgehört, mit dem Strom zu schwimmen. Er tat sich hervor, machte auf sich aufmerksam, war seinem Umfeld und seiner Zeit voraus. Seine Führungsqualitäten offenbarten sich nun immer deutlicher auch außerhalb der Firma, die er aufgebaut hatte. Die einzige Möglichkeit, Chodorkowskis Expansion im In- und Ausland zu stoppen, bestand darin, ihn aus dem Verkehr zu ziehen. Und das taten die Machthaber auch: Sie brachten ihn hinter Gitter.
    Warum aber wählten sie gerade diesen Weg? Der Gedanke stammt nicht von mir, dass die Entstehung von Putins Regime mit einem ursprünglichen Gewaltakt zusammenhängt, mit dem Blutvergießen im Tschetschenienkrieg, und dass das dazu beitrug, »Gewalt als eines der grundlegenden Elemente sozialer Beziehungen zu sanktionieren«, schreibt Tatjana Woroshejkina in der Zeitung Wedomosti . »Gewalt, verübt in pseudorechtlichen Formen, […] ist in Putins Jahrzehnt zu einem Hauptfaktor der Demodernisierung, der Retraditionalisierung der Herrschaftsbeziehungen geworden. Die auf Gewalt beruhende politische Herrschaft repressiver Strukturen, auf die sich […] autoritäre Regime stützen, hinterlässt in der Psyche von Menschen, die es gewohnt sind, sich als Untergebene zu betrachten, in ihren Beziehungen zum Staat eine Spur, die kaum zu tilgen ist.« 3
    Zum Instrument der Selbstbehauptung an der Macht wurden unter Putin natürlich die Sicherheitsministerien, die ihm als Präsidenten direkt unterstellt waren. Die scheinbar schon vergessene Praxis, Verhaftungen und formale Strafverfahren im Kampf gegen die Unbequemen, die Unbotmäßigen und »Anderen« einzusetzen, kehrte zurück. Gegenüber sowjetischen Zeiten kam hier jedoch eine Neuerung hinzu: Das Ausplündern von Unternehmen, die gewaltsame Aneignung von Firmen, deren Eigentümer mithilfe der Sicherheitsressorts neutralisiert wurden, faktisch

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